labor ostdeutschland
Als in diesem Sommer Kulturproduzenten und Studierende zu den Kunstaktionen von “superumbau” in die leer stehenden Plattenbauten von Hoyerswerda einluden, da machte sich auch manch ältere Bürgerin der Stadt auf den Weg. Dabei zu sein war Ehrensache: Die sächsische Planstadt stiftet trotz Deindustrialisierung und Abriss Identität.
Das Buch “labor ostdeutschland” war da schon im Druck. Und doch wirkt der über dreihundert Seiten starke Essayband wie ein mehrtägiges Symposium zu “superumbau”: weil er auch Hoyerswerda ein ausführliches Kapitel widmet und vor allem, weil er die Rolle der Kultur in den Städten und Regionen Ostdeutschlands untersucht, die von Abwanderung, Deökonomisierung und Überalterung geprägt sind. Hier muss die Bevölkerung den System- und Strukturwandel zeitgleich mit den Folgen der Globalisierung verarbeiten. Auch die Kultur verändert sich rasant: von der flächendeckenden Grundversorgung hin zur Förderung von Kulturstätten mit nationaler Bedeutung gemäß Einigungsvertrag und zu großen Events, in deren Schatten die Kleineren darben. Gleichzeitig aber bieten Krise, Leerstand und der noch immer vorhandene Kulturreichtum neue Freiräume für Experimente, die es richtig zu nutzen gilt. Diese Entwicklungen und Chancen anhand gelungener und misslungener Beispiele lösungsorientiert zu erörtern, ist das Anliegen der beiden Herausgeberinnen, der Ethnografin Ina Dietzsch und der Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Kristina Bauer-Volke. Sie sehen die Struktur- und Kulturkrise Ostdeutschlands auch als ein Modell für den bundesweiten Rückzug des Staates aus der Kultur. Womöglich kommt ihre Botschaft, Ergebnis einer Studie im Auftrag der Bundesstiftung für Kultur, ja im Westen an. Die meisten der beteiligten Wissenschaftler, Kulturarbeiter und Journalisten schreiben so anspruchsvoll wie anschaulich, dass die Inhalte…