RAINER UNRUH
La Poetica dell’Arte Povera
Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen, Magdeburg, 14.9. – 7.12.2003
Eine riesige, mannshohe Spinne ist das erste Exponat, auf das der Besucher der Ausstellung “La Poetica dell’Arte Povera” stößt. Die in giftigem Blau schimmernde und mit Plüsch bezogene Skulptur von Pino Pascali erregt weniger Abscheu als Neugier, weil sie erstens gar keine richtige Spinne ist, denn sie hat nur drei statt vier Beinpaare, und weil sie zweitens so gar nicht zu dem Bild von der Arte Povera zu passt, das von Künstlern wie Jannis Kounellis und Mario Merz geprägt wurde. Die “armen” Materialien, die gewöhnlich als Rechtfertigung für die Bezeichnung “Arte Povera” angeführt werden, sind in der Regel eher zurückhaltend in der Farbigkeit und natürlichen Ursprungs: Kohle (Kounellis), Stoff (Alighiero e Boetti), Stein und Holz (Mario Merz). Die Platzierung des Plüschmonsters am Eingang im Erdgeschoss des Kunstmuseums Kloster Unser Lieben Frauen erweist sich jedoch gerade deshalb als ein kluger Schachzug, weil sie die Frage aufwerft, was die in Magdeburg vertretenen Künstler miteinander verbindet.
Was haben die hoch reflektierten, mit einer Fülle von Anspielungen auf die Kunstgeschichte versehenen Architekturzeichnungen von Luciano Fabro, die im Obergeschoss zu sehen sind, mit den Fotos von Giuseppe Penone im Erdgeschoss gemein, die den Künstler zeigen, wie er einen spitzen Metallkeil in einen Baum schlägt? Gibt es eine Verbindung zwischen den Iglus von Mario Merz und der legendären Margherita di fuoco von Jannis Kounellis, deren Metallblüte in der Ausstellung allerdings kein Feuer speit? Auf der rein phänomenalen Ebene stößt man schnell an die Grenzen…