La Gaia Scienza
von Enzo Bargiacchi
Seit ungefähr zwanzig Jahren hat sich das neue italienische Theater aus der puren und simplen Abhängigkeit von einem literarischen Text befreit. Um das Jahr 1960 beginnt die provokatorisch-schöpferische Tätigkeit von Carmelo Bene, ihm folgen Quartucci mit Neuerungen im Bereich von Gestik und Raum (gewonnen durch eine grundlegende Erfahrung mit Beckett) und Ricci mit seinen kinetisch-visuellen Aktionen, in denen Objekte und Projektionen die Hauptdarsteller sind. Mit Leo und Perla, Nanni, Pier’Alli, Vasilicò, Perlini wird dann eine neue Schule des Bild-Theaters endgültig bestätigt.
Die schöpferische Erfindung geschieht direkt auf der Bühne, das Theater kehrt damit zu seinem Ausgangspunkt zurück, ein autonomer Augenblick künstlerischen Schaffens zu sein. Dennoch bleibt eine starke Verbindung zur Literatur. Der Ausgangspunkt ist oft ein literarischer Text oder immerhin die dichterische Welt eines Autors. Unter den wenigen Ausnahmen, die diese Regel bestätigen, muß man an Perilli erinnern, der als einsamer Vorläufer schon 1961 mit Collage ein theatralisches Ereignis ohne Schauspieler vorgestellt hatte, in dem Musik, Licht und Bewegung von Objekten zu einer höheren Einheit verschmolzen.
Mitte der siebziger Jahre, da die Formel des Bild-Theaters bereits abgenutzt ist und die Kreativität mehr und mehr ins Stocken gerät, vollzieht sich eine entscheidende Wende, die das neue Theater in Italien vollständig revolutioniert. Nicht nur auf Text, auf Literatur überhaupt wird verzichtet und vor allem auf jedwede erzählerische oder darstellerische Absicht. Die Szene ist nicht mehr der Ort einer Fiktion, die den Betrachter in einem Raum und in eine Zeit hineinführt, die außerhalb seiner Wirklichkeit liegen. Die reale Zeit des Betrachters…