Wolfgang Zinggl
Kurzer Blick zurück zum reinen Raum
Kunst und Institutionen
Nach O’Dohertys »The White Cube«
1976 waren einige Essays von Brian O’Doherty im “Artforum” erschienen. Thema: Die Galerie als sakraler Raum. Doherty war damals seiner Zeit ein bißchen voraus. Kunst war nicht ganz heilig, der Künstler war nicht grundsätzlich auf Institutionen angewiesen, um anerkannt zu werden, und der Ausstellungsraum war eher ein Raum für Ausstellungen und keine Cella, kein Tabernakel.
Zehn Jahre danach wurden die Aufsätze als Buch veröffentlicht.1 O’Doherty’s Induktionen waren jetzt Wirklichkeit geworden, Kunst ließ sich als Funktion der Galerien beschreiben, und die Wände der Galerien waren alle weiß. Sie grenzten von einer lärmenden Welt draußen ab, verwiesen auf die Transzendenz ausgestellter Werke und auf deren wahre Werte. Auf Werte, die von Zeitschwankungen unabhängig sind. Auf Werte, die ohne großes Risiko erworben werden konnten und sichere Anlagen darstellten.
Wie paläontologische Kulthöhlen, schrieb O’Doherty, werden die Orte der Kunst von Eingeweihten in Hinterhöfen aufgespürt oder über Treppen erklettert. Sie werden von Gläubigen besucht, die ihre weltlichen Probleme vor dem Eingang abgegeben haben und ehrfürchtig in klinisch heller Umgebung “verstehen”.
In diesen sterilen Galerien kommt Kunst ganz selbstverständlich ohne Realitätsbezüge aus. Einzige Voraussetzung für das Erleben ist die Anerkennung einer Autonomie des sinnlichen Wahrnehmungsvorganges. Unabhängig von Subinformationen, unabhängig vom Wissen und Wollen des Betrachters werden das Selbst und all seine sozialen und psychologischen Vernetzungen zurückgestellt. “Die moderne Kunst”, schrieb Wolfgang Welsch noch 1987, “stellt uns erstmals betont gerade solches, was sinnenhaft und nur sinnenhaft sich erschließt, als Sinngebilde vor Augen.”2
Für die sinnenhafte Aneignung des…