Hermann Haken
Kunstwerke rufen Instabilitäten hervor
Im Augenblick wird in den Wissenschaften eine ganze Reihe von Begriffen diskutiert, die einen Paradigmenwechsel suggerieren, aber doch anscheinend recht ähnliche Phänomene zu beschreiben suchen. Man spricht von der Theorie dissipativer Strukturen, von der Chaos-theorie, von der Theorie nicht-linearer dynamischer Systeme, von der Autopoiese oder von der Katastrophentheorie. Sie haben den Begriff der Synergetik geprägt. Beschreibt die Synergetik eigentlich die gleichen Phänomene mit ähnlichen Mitteln wie die anderen Theorien, und würden Sie sie als einen übergeordneten Ansatz verstehen, der die anderen Theorien einbegreifen könnte?
Zwischen den von Ihnen genannten Ansätzen besteht eine enge Beziehung. Ich hatte die Synergetik gegen Ende der sechziger Jahre als eine neue Disziplin eingeführt, die sich mit der Selbstorganisation befaßt, also mit der Frage, wie Strukturen spontan entstehen können. Zum Verständnis der Selbstorganisation gibt es verschiedene Ansätze, die aus verschiedenen Richtungen stammen. Sie haben den Begriff der dissipativen Strukturen erwähnt, der von Prigogine eingeführt wurde. Er sah eine Erklärungsmöglichkeit in der Thermodynamik, die er entsprechend verallgemeinern wollte. Dieser Ansatz aber hat, das ist meine offene Meinung, nicht zum Erfolg geführt, weil die Thermodynamik an sehr strenge Vorbedingungen geknüpft ist. Das thermische Gleichgewicht ist gerade in den sich selbst organisierenden Systemen nicht gegeben. Wir hatten hier insofern mehr Glück, weil wir von der Lasertheorie herkamen und ein ganz konkretes Modell besaßen, das einfach genug war, um es in allen Details behandeln zu können. Deshalb konnten wir an diesem Testfall alle Konzepte und mathematischen Methoden entwickeln und überprüfen. Es gibt noch andere Ansätze…