Kunstvereine
Einblick in eine einzigartige Idee
herausgegeben von Sabine B. Vogel
Deutschland ist das Land der Vereine. Über 600.000 sind offiziell registriert, darunter 300 eingetragene, nicht-kommerzielle Kunstvereine. Das mag vergleichsweise wenig klingen, ist tatsächlich aber ob des damit einhergehendes, ehrenamtlichen Bürgerengagements ein weltweit einzigartiges Phänomen. 2021 wurde das Modell ,Kunstverein‘ denn auch in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen.
Denn Kunstvereine verbinden „zivilgesellschaftliches Engagement mit ehrenamtlicher Kunstvermittlung“, „fördern offene Teilhabe und bringen Kunst in breite Gesellschaftsschichten“, wie es in der Begründung der UNESCO heißt. Es seien „Mittler zwischen Kunsthallen, Museen und Zivilgesellschaft“ und „fungieren für Museen nicht selten als Entdecker der Kunst von morgen“. Kurz: Die deutsche Kunstlandschaft ist ohne die Kunstvereine nicht denkbar. Von Mitgliedern getragen, haben diese Ausstellungshäuser seit der ersten Gründung 1792 das Sprechen über Kunst gepflegt, Künstler*innen eine Bühne geboten, den bürgerlichen Kunstmarkt initiiert und zu Museumsgründungen geführt. Manche sehen in Kunstvereinen sogar eine revolutionäre Bürgerinitiative. Mehr als 1,5 Millionen Besucher erleben in Deutschland jährlich in Kunstvereinen die Kunst von über 6.000 Künstler*innen.
Zweifelsohne sind Kunstvereine heute ein wichtiges Tor zum künstlerischen Erfolg in einer derart weit verzweigten Kunstwelt, wie es sich die Bürger bei den ersten Gründungen Ende des 18. Jahrhunderts nie hätten vorstellen können. Dieser Band widmet sich dieser Institution. Über 300 Kunstvereine – wir können hier nur eine unvollständige Anzahl an Beispielen erwähnen. So wird in einem ausführlichen Rückblick die Geschichte einige der ältesten und bis heute höchst lebendigen Vereine nachgezeichnet, von Nürnberg über Karlsruhe, Hamburg bis zu ganz jungen wie jener in Bahnitz im Havelland. Was ist geblieben von der Aufbruchsstimmung in den 1990er Jahren, welche Erneuerungskonzepte wurden umgesetzt – und wie konnten die zahlreichen Krisen bewältigt werden? In 13 Interviews kommen Leiter*innen zu Worte, die über Finanzierungen sprechen, über ihre Erwartungen und Erfahrungen, über Herausforderungen.
Ein zentrales Mantra aller Kunstvereine heute ist die frühe Förderung junger Kunst. Wir baten 12 Leiter*innen, aus ihrem Programm eine*n junge*n Künstler*in auszuwählen, die in kurzen Bildstrecken vorgestellt werden. Mit einem kritischen Blick analysiert Ingo Arend die Situation der Kunstvereine heute und attestiert den Institutionen eine „unterschwellige Sinnkrise“ durch „Sparrunden“, Konkurrenzdruck und der Herausforderung einer „sozialen Neusituierung“.