Dirk Schwarze
Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts
Museum Wiesbaden, 1.9. – 25.11.1990
Die Vergabe des Wiesbadener Jawlensky-Preises an die aus Kanada stammende Malerin Agnes Martin (Jahrgang 1912) war ein Signal: Der neugeschaffene Preis, der einem der Väter der Moderne gewidmet ist, ging programmatisch an eine Frau, und zwar an eine Malerin, die in einer scheinbar männlichen Domäne, der konkreten, fast konzeptuellen Malerei, Maßstäbe gesetzt hat. Damit war nicht nur die Ausstellung “Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts” im Wiesbadener Museum gut vorbereitet, sondern damit war auch klar, daß innerhalb dieser Ausstellung Agnes Martin unter den 58 ausgewählten Künstlerinnen einen Ehrenplatz erhalten würde.
Allerdings zeigt sich in der Schau, die sich nahezu über das gesamte Erdgeschoß des Museums erstreckt, daß die Massierung der Bilder einer Künstlerin in einem Raum keineswegs die Wirkung verstärkten muß. Wie immer bei solchen Unternehmungen bleiben viele Fragen offen, die zu ergründen suchen, warum die eine Künstlerin ihren eigenen Tempel erhält, die andere, die nicht weniger wichtig ist, sich aber mit einem Beitrag sozusagen im Flur begnügen muß. Irgendwo gehen die Raumkonzepte eben nie ganz auf. Und was die großformatigen weißen Bilder mit ihren zarten Graphitstrukturen von Agnes Martin betrifft, so irritiert eher die dichte Reihung. Für diese Raumgröße hätte es auch nur die Hälfte der Bilder getan.
Die Wiesbadener Ausstellung tritt mit hohem Anspruch auf. Für Deutschland und Europa will sie erstmals einen repräsentativen Überblick über den die Kunstentwicklung mitgestalteten Beitrag der Frauen geben. Die Veranstalter, Museumsdirektor Volker Rattemeyer und die Arbeitsgruppe Kunst der Gesamthochschule Kassel (aus der Rattemeyer hervorgegangen ist), wissen natürlich,…