Michael Schwarz
Künstlerehen – zwischen Tradition und Emanzipation
Historischer Abriß
Bildende Kunst heute ist – mit Einschränkungen – immer noch eine Domäne der Männer. Das war, zumindest in der abendländischen Kunstgeschichte, immer v>, wenngleich es früh Künstlerinnen gab, zum Beispiel Iaia aus Kyzikos, hochbezahlte Porträtistin um 100 v. Chr. in Rom. Im Mittelalter waren es oft die Äbtissinnen, die als Miniaturistinnen, Kunstschreiberinnen, Knüpferinnen oder Malerinnen hervortraten; Altarwerke, Skulpturen oder Bauwerke sind von ihnen kaum bekannt. Ida van Meckenem war eine der ersten verheirateten Künstlerinnen; von ihr ist ein umfangreiches und von den Arbeiten des Stechers Israhel van Meckenem relativ unabhängiges Werk überliefert. Auch aus dem 16. und dem 17. Jahrhundert sind eine Reihe von Künstlerinnen bekannt, die als Gattinnen, Schwestern oder Töchter in den Werkstätten angesehener Künstler arbeiteten, berühmt geworden sind neben Sofonisba Anguisciola oder Maria Sibylle Merian nur wenige. Der entscheidende Grund für diese Beobachtung liegt in der Tatsache, daß die feudalen oder frühkapitalistischen Männergesellschaften in Bezug auf weibliche Rollen- und Berufszuweisung absolut festgelegt waren: “Alle Einrichtungen, Gesetze, Bestimmungen, Sitten und öffentlichen Meinungen sind nach den Maßen des männlichen Geschlechts gebaut. In dieser Gesellschaft üben die Männer ausschließlich oder vorwiegend die wichtigen und einflußreichen Funktionen aus . . . Auf den Gebieten des Geisteslebens herrschen männliche Maßstäbe, mit männlichen Augen forscht die Wissenschaft, mit männlichen Kräften schafft die Kunst,”1 schreibt Alice Rühle-Gerstel über die Zeit vor der Französischen Revolution. Durch das Egalitätsprinzip der Aufklärung wurden die ersten Voraussetzungen für die gesellschaftliche Anerkennung der künstlerisch tätigen Frau geschaffen – wenngleich zunächst nur…