Manfred Schneckenburger
Künstler zeichnen und malen auf Plakatwänden
Oder: Das Atelier als Schneckenhaus
Die Beutegänge von Raymond Hains, Jacques Villeglé und François Dufrêne durch Paris wurden berühmt. Sie galten Plakatwänden, an denen Wind und Wetter, Aggression und Destruktion ein Palimpsest zerfetzter Schichten hinterlassen hatten. Die “Affichisten” lösten die Lagen ab, durchforsteten ihr Fragment und fixierten das objet trouvé. Prozeß und Typographie verschmolzen zu einem neuen Bild – den politischen Anspruch, damit kollektive Attacken auf die Breitseiten der Manipulation dingfest zu machen, schob Villeglé erst in den 60er Jahren nach. Die Ästhetik des Informel und die aufkommende Faszination von Pop Art und Nouveau Réalisme durch eine städtische Medienwelt ließen die Plakatwände als Kunstwerke sui generis sehen. Später verschob James Rosenquist die Faszination vom Zerfall auf die glatte Perfektion der Reklamefassaden. Unsere Bildvorstellung regenerierte sich durch Plakatwand und Plakat. Beide gaben um 1960 starke Impulse in die Kunst.
Szenenwechel 1983/84. Der Kölner Jochen Heufelder, dessen Kunstraum “Fuhrwerkswaage” seit langem ein einfallsreiches Programm fast aus dem Nichts offeriert, fordert 13 Bildhauer zum Zeichnen auf Plakatwände, dann 24 Maler zum Malen auf Litfaßsäulen auf. Die Aktionen finden im November 83 und im Mai 84 statt. Ein Heimspiel für Pop Art und Nouveau Réalisme? Kaum, denn die meisten Künstler gehören eher zur puristisch konstruktiven oder formanalytischen Fraktion. Doch selbst hier verblüfft, wie wenig die soziologische, ideologische, ikonographische Strahlkraft der öffentlichen Anschlagsflächen, dieses Puzzle aus Werbung, Propaganda und buntgescheckter Information noch bewirkt, nachdem einer ganzen Generation von Hains über Peter Blake bis Rosenquist Orientierungen gab.
Die Pointe ersetzt mühelos eine…