Kunstkompaß: Deutsche Meister
1980 entwarf der inzwischen verstorbene Kunstjoumalist Willi Bongard für das Wirtschaftsmagazin “Capital” einen “Kunstkompaß”: Nach einem ausgeklügelten Punktesystem (Einzel- und Gruppenausstellungen in den wichtigsten Museen und Galerien der Welt, Rezensionen in der internationalen Fachpresse) wird der “Marktwert” zeitgenössischer Künstler ermittelt und tabellarisch aufgelistet. Wenn auch dieses Prinzip wegen der willkürlichen Einschätzung der “besten” Institute nie unumstritten war, so setzte er sich für Sammler dennoch als geschätztes Instrument der Anlageberatung durch. In der Liste für 1990 behauptet sich weiterhin Georg Baselitz auf Platz 1, Gerhard Richter und Sigmar Polke schoben sich weiter nach vorne, während Anselm Kiefer um drei Plätze zurückfiel. Damit sind auf den ersten zehn Plätzen weiterhin vier “deutsche Meister” notiert, neben je drei Künstlern aus Italien und den USA. Durchschnittsalter dieser zehn Tabellenführer: 49 Jahr. Als “Aufsteiger des Jahres” gilt Jochen Gerz, der gar 28 Plätze gutmachte und auf Rang 78 kletterte.
Immerhin vermochten nun auch vermehrt Frauen in die bislang männliche Kommerz-Domäne einzubrechen: Erstmals stellen sie 10 Prozent in der Liste der 100 erfolgreichsten Kunstschaffenden, wenn auch die ersten 41 Plätze ausschließlich von der männlichen Konkurrenz belegt sind. Auch unter den Künstlerinnen stellen jene deutscher Provenienz gut ein Drittel: Rebecca Horn, Rosemarie Trockel und Hanne Darboven rangieren zwischen Platz 53 und 69.
Jürgen Raap