Kunstgeschichte und Gegenwartskunst
Ein internationales Seminar in Schloß Buchberg am Kamp
Kunstgeschichte und zeitgenössische Kunst – ein altes, und doch immer wieder neu aufgelegtes Thema. Das Klischee vom versnobten Establishment der Historikerzunft, das im besten Falle milde, aber verständnislos lächelnd auf den lärmenden Aktionismus der Avantgarden herabblickt – sei er nun jung und wild, postmodern, dekonstruktiv oder politisch korrekt -, dieses Vorurteil besteht ebenso hartnäckig fort, wie es einen wahren Kern in sich trägt. Dabei stand das Verhältnis von historischer Betrachtung und zeitgenössischer Produktion im Bereich der Ästhetik anfangs durchaus unter umgekehrten Vorzeichen. Der geschichtliche Rekurs, der in seiner frühen Form als einfache Chronik oder Biographiensammlung daherkommt, diente einst vor allem als Prolog für die breit geschilderten Glanzleistungen der jeweils eigenen Epoche. Kulminierte etwa bei Giorgio Vasari alles bisherige Schaffen in den bildenden Künsten in der als göttlich apostrophierten Gestalt Michelangelos, so stellte Bellori selbstredend Nicolas Poussin in den Zenit seines kunsthistorischen Weltentwurfs. Der klassizistischen Kunsttheorie erschien Canova als messianische Figur, für die ihre Vorgänger allenfalls als Propheten auftraten, und sogar Winckelmann meinte, die Kunst der Griechen sei erst durch seinen Busenfreund Anton Raphael Mengs gekrönt worden.
Mit Winckelmann markiert die Kunstgeschichte gerne den Zeitpunkt ihrer Emanzipation als wissenschaftlicher Disziplin, von dem an sie sich nach und nach von der allgemeinen Historie absetzte und – zur selben Zeit wie die Ästhetik – die individuellen Konturen einer selbständigen Lehre annahm. In den Profilierungs- und Legitimationsbestrebungen, die das junge Fach daraufhin an den Tag legen mußte, um in den Kanon der ehrwürdigen Universitätsdisziplinen aufgenommen zu…