»Kunstgeschichte kann man lesen wie Palindrome«
Amine Haase sprach mit Christos Joachimides über Seine
»Kunst im 20. Jahrhundert«
Amine Haase: Herr Joachimides, die Ausstellung, die Sie zusammen mit Norman Rosenthal im Berliner Gropius-Bau eingerichtet haben, hieß einmal “Kunst des 20. Jahrhunderts”. Warum nennen Sie sie jetzt “Kunst im 20. Jahrhundert”?
Christos Joachimides: Der erste Teil des vollständigen Titels ist sehr wichtig. Er lautet: “Die Epoche der Moderne” und dann kommt erst “Kunst im 20. Jahrhundert”. Kunstgeschichte ist hierzulande etwas anderes als in den angelsächsischen Ländern. Bei uns – egal ob man das gut oder schlecht findet – besteht Konsens über die abendländische Tradition mit ihrem Verlauf von der griechisch-römischen Antike über die bekannten Epochen und Stationen bis zum 19. und 20. Jahrhundert. In den angelsächsischen Ländern gibt es diese Spur der Moderne, wie ich es nennen möchte, gar nicht. History of Art betrifft alles: die Kunst Chinas, Indiens, Afrikas. Das aber ist nicht das Thema dieser Ausstellung. Wir wollen vielmehr den Faden der Moderne sichtbar machen. Jede Ausstellung ist ein “work in progress”. Und als wir in Gesprächen feststellen mußten, daß der Titel “Kunst des 20. Jahrhunderts” in den angelsächsischen Ländern mißverstanden wurde, haben wir ihn geändert. Denn in Berlin geht es nicht um “world-art”, sondern um den Weg der Moderne.
Zur Erhellung weise ich gerne auf die Ausstellung “British Art” hin – in der Reihe mit German, Italien, American Art, die Norman Rosenthal und ich in der Royal Academy in London organisiert haben: Da mußte Rosenthal seinen Landsleuten ganz deutlich im Katalogvorwort…