Irmtraud Schaarschmidt-Richter
Kunstbrief aus Tokio
Tokio hat man schon vielerlei, meist negative Attribute angehängt, daß es aber auch eine Stadt der Museen und Galerien ist, wurde außerhalb Japans weniger wahrgenommen. Erst als die spektakulären Kunstkäufe japanischer Sammler durch die Medien der Welt geisterten, horchte man auf. Dabei haben diese Ereignisse mit der eigentlichen sehr aktiven Kunstszene nur wenig zu tun. Zu den über 150 Museen Tokios gehören drei Nationalmuseen, eines für die klassische japanisch-asiatische Kunst, eines für die Moderne Japans und schließlich eines für westliche Kunst. Dazu kommen ein städtisches, zum Teil sehr große Bezirksmuseen und zahlreiche private, von Sammlern und Firmen eingerichtete; und noch immer kommen neue hinzu. Das Städtische Museum, ein roter Klinkerbau aus dem Büro Kunio Mayekawa, beherbergt eine große Zahl an Ausstellungsräumen, die zu jeder Zeit mit ganz verschiedenen Exponaten gefüllt sind, so verschieden, daß auch die Qualität sehr unterschiedlich ist. Doch zur Hauptsaison im Herbst gibt es stets ein Hauptstück, das Akzente setzt und hohen Ansprüchen genügt. Dieses Mal waren es Skulpturen, Assemblageartiges, Expositionen der Elemente als der zweite Teil einer Serie, die dem Thema “Material und Ausdruck” gewidmet ist. Im Mittelpunkt stand dieses Jahr das Holz. Der Untertitel “Struktur und Erinnern” manifestierte sich zunächst am eindrucksvollsten in Shigeo Toyas (45) Arbeiten: stelenartige Reihungen, Wandobjekte oder ganze, freistehende Wände mit stachelig aufgebrochenen, beschnittenen Oberflächen und Höhlungen, die an mystische, ja gespenstische Situationen erinnern, Archaisches, aber ausgedrückt in höchst artifizieller Form. Takamatsu Endo (42) zeigte auch hier seinen souveränen Umgang mit den Elementen Feuer, Erde, Wasser, Holz*…