Kunst und moderne Psychoanalyse
Das Spiegel-Stadium
von Marie Louise Syring
“Was augenblicklich in Paris stattfindet, ist keine Subjektivierung, sondern ein Prozeß der Intellektualisierung des Subjektiven. Was 1968 eine Sache der Basis war, der schöpferischen Einfallskraft jedes Einzelnen, spielt sich heute in den Köpfen einer bestimmten Intellektuellenschicht ab, die definiert, was “Subjekt” sei. Insofern könnte man auch von einer Parallele zum Surrealismus sprechen, als ja auch ab 1925 verbalisiert und auf eine bestimmte Lesart gebracht worden ist, was in der D AD A-Anarchie zum Ausbruch gekommen war. ”
Jochen Gerz
Seit der Zeit des Surrealismus scheint die französische Kunst im Laufe der 70er Jahre zum ersten Mal wieder eine “Ehe” mit der Psychoanalyse eingegangen zu sein. Kunst- und Literaturzeitschriften, wie die speziellen Fachorgane, bersten von diesbezüglichen Informationen, die Kolloquien zum Thema überstürzen sich. Die Rückwirkung auf die Malerei, vor allem die abstrakte, aber auch die figurative – wenn man diese Trennung heute noch machen will – sowie auf die konzeptuellen Tendenzen, ist beträchtlich. Ja, die ganze Kunst-Sprache ist durchsetzt von den Termini der modernen Psychoanalyse und den in ihr neu geschaffenen oder mit neuem Sinn gefüllten Begriffen, die sich wie wagnerianische Leitmotive durch sämtliche Artikel schlängeln, wo vom “Anderen” von der “Spaltung”, der “Differenz” der “Desintegration”, der “Diskontinuität” u.a. mehr die Rede ist.
Zwei wichtige, sich gegeneinander bewegende Tendenzen der 70er Jahre in Frankreich, die materialistische, von der Gruppe Support/Surface vertreten, und die konzeptuelle, aus der Gruppuskel BMPT und dem amerikanischen Minimalismus hervorgegangen, waren durch ihre theoretische und gesellschaftspolitische Dogmatik in eine Sackgasse geraten.
Am Ende dieses Jahrzehnts…