VILÉM FLUSSER
Kunst und Forum
Für Kunstforum international
Mag sein, daß das alte Wort “Forum”, dessen Wurzeln sich vielleicht im Neolithikum verlieren, ursprünglich jeden Ort meint, der vor der Tür liegt. In diesem Sinn also meint Forum den Ort des Ausstellens des Hergestellten vor die Tür, damit es sich herausstellen möge. Aber wenn sich die vorliegende Zeitschrift KUNSTFORUM nennt, dann geht es um einen metaphorischen Gebrauch des Wortes. Forum meint dann nicht mehr alles das, was vor der Tür steht und auch nicht mehr den römischen Marktplatz. Was es meint, darüber will sich der vorliegende Aufsatz den Kopf zerbrechen.
Es gibt drei Arten von Leuten, die auf Marktplätzen angetroffen wurden, bevor Supermärkte, Hypermärkte und ähnliche verlogene Märkte auf der Bühne erschienen waren. Die erste Art von Leuten ging hin, um etwas (etwa die eigene Haut) zu Markte zu tragen. Man kann sie die Aussteller, die Exhibitionisten, die Prostituierten nennen. Die zweite Art ging hin, um das zur Schau getragene (etwa die Haut eines anderen) zu beschauen und gelegentlich gegen Entgelt nach Hause zu tragen (was bei ausgestellter Haut einige praktische Schwierigkeiten bietet). Diese Art kann Konsument, Voyeur, kurz Publikum heißen. Die dritte Art ging hin, weil sie nichts Besseres zu tun hatte, störte dort den Betrieb und redete. Sie kann Tratschweib, Philosoph, Kunstkritiker und, wie Plato meint, sogar König genannt werden. Der vorliegende Aufsatz wird vom königlichen Standpunkt der Tratschweiber geschrieben. Er stellt sich daher die müßige Frage, was eigentlich die Leute bewegt, die Haut oder was immer zu Markte zu tragen.
Es gibt…