Hermann Pfütze
Kunst und Demokratie – zum Gegenwartscharakter der Kunst
DER DIALOG, DIE KUNST UND DIE FREIHEIT
Was unterscheidet den Dialog von anderen Formen der Rede, etwa der Information, der Beweisführung oder dem Streit? – Er setzt nichts voraus, zwingt zu keiner bestimmten Rede und muß zu nichts führen. Die Form des Dialogs ist unbestimmtes Hin und Her zwischen Sprechen und Zuhören. Ein Dialog ‘unterhält’ sich durch Lust am Unbestimmten, während andere Diskursformen vom Thema oder vom Zwang zu Rede und Widerrede bestimmt sind und freie Positionen sofort durch Argumente besetzt werden. Auch herrschaftsfreier Diskurs fügt sich dieser Besatzungsmacht der Rede, während der Dialog sie unterläuft. In ihm kann zwang- und straflos gesagt werden, was sonst nicht zur Sache gehört oder vom Thema abschweift. Der Dialog ist redselig und wehrlos, das unterscheidet ihn vom herrschaftsfreien Diskurs, der regiert wird vom zwanglosen Zwang des besseren oder stärkeren Arguments.
Die am Dialog Beteiligten beziehen sich unmittelbar aufeinander und nicht über eine höhere oder äußere Instanz, die ihre Rede führt. Im Dialog gibt es keine außerdialogisch mächtigen Leitfiguren oder ‘richtigen’ Linien, keine Dogmen oder Standpunkte als imaginäre Komplizen, auf die sich Argumente stützen müssten. Von anderen Formen der Rede unterscheidet ihn seine instanzenfreie Selbstbestimmung und bodenlose Lust am Unbestimmten.
Andere Diskursformen bedienen sich zwar der Elemente des Dialogs intentional und als Mittel der Gesprächsführung, aber sie kommen zur Not auch ohne sie aus. Für einen Streit reichen Behauptungen, eine Beweisführung kann auf Fragen und Antworten reduziert werden, und Informationen sind im Prinzip Monologe. Umgekehrt sind Dialoge nicht…