Essay
Kunst & Revolte heute
von Roland Schappert
Nach Albert Camus ist der Mensch in der Revolte nicht destruktiv und sagt auch nicht einfach NEIN. Revoltierende lehnen sich nicht bloß gegen wen oder was auch immer auf, sondern sie insistieren auf etwas und bestehen auf eine wesentliche Grenze, die die anderen nicht überschreiten dürfen. Revoltierende nehmen ein vermeintlich natürliches Recht in Anspruch, was sie über jeden Zeitgeist und die Wendungen der Geschichte erhebt. Sie wollen nicht über alle Maßen in ihren Rechten und Möglichkeiten benachteiligt und beschnitten werden. Camus folgert in seinem kurzen Text Der Mensch in der Revolte, der 1951 veröffentlicht wurde: „Das Bewusstsein tritt zusammen mit der Revolte an den Tag.“1
Dieses Bewusstsein zeigt sich in einer Radikalisierung, der folgende Erkenntnis zugrunde liegt: „Lieber aufrecht sterben als auf den Knien leben.“2
Für die Bekundung dieser Maxime, die eben nicht der Durchsetzung vorwiegend persönlicher Interessen dienen darf, wird im Extremfall der eigene Tod in Kauf genommen. Wow. So scheint uns Camus aus heutiger Sicht doch etwas aus der Zeit gefallen, denn der pathetische Grundsound überschreitet zumindest jeden individualistischen Anspruch. Im revoltierenden Prozess zeigt sich bei Camus eine Komponente des Wunschdenkens im Übergang vom „so müsste es sein“ zum „ich will, dass es so sei“,3
damit etwas allgemein Erstrebenswertes realisiert werden kann. Camus formuliert nicht nur abstrakt einen überindividuellen Anspruch, der die Interessen jedes einzelnen übersteigt und nahezu wie ein Kategorischer Imperativ daherkommt. Allen Individuen wird zudem unterstellt, so bedacht zu handeln, dass die Grenzen der Freiheit aller anderen Menschen nicht beeinträchtigt werden. Aber was haben…