Kunst ohne Geschichte
In den Diskursen, die die Kunst der letzten Jahrzehnte begleitet haben, fiel die Rolle der Kunstgeschichte relativ bescheiden aus. Die entscheidenden theoretischen Impulse kamen aus anderen Disziplinen wie Philosophie, Soziologie oder Sprachwissenschaft. Zudem wurde von seiten der künstlerischen Moderne die Relevanz historischer Bezüge vor allem anfangs energisch zurückgewiesen. So konnte der Eindruck entstehen, daß sich das Fach Kunstgeschichte auf Denkmalpflege und die Ausbildung von Museumsangestellten zurückgezogen hätte. Die Wendung von der Moderne zur Postmoderne hat zwar das Interesse für historische Parallelen wieder erwachen lassen, aber weniger im Sinne von Quellenkunde, als mit der Absicht der Dekonstruktion der Grundbegriffe einer darauf beruhenden Geschichtsschreibung.
Hans Belting dem das vorliegende Buch zu seinem 60. Geburtstag gewidmet ist hat es angesichts dieser Tendenzen unternommen, als Reformator seines Fachs aufzutreten, und es einer moderaten Selbstkritik zu unterziehen. Mit seinem Text “Das Ende der Kunstgeschichte?” sollte eine zumindest fachinterne Diskussion um brauchbare neue Grundlagen und Methoden provoziert werden.
Begegnet werden mußte zu diesem Zweck einerseits der Tendenz, sich auf der Suche nach Tiefgründigkeit in extremes Spezialistentum zu flüchten; andrerseits sollte die traditionelle Autorität des Fachs gegenüber nur “oberflächlicher” Kunstkritik verteidigt werden. Das würde nicht ohne eine stattliche Kompetenz möglich sein, die sich neben der herkömmlichen Stilkritik in sämtlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, und darüber hinaus auch in sozialen, technischen und “lebensweltlichen” Umständen auskannte.
Die Schlußfolgerung liegt nahe, daß dieser Aufgabe ein einzelner Kopf nicht gewachsen sein wird. Die Herausgeberinnen dieses Bandes, Anne-Marie Bonnet und Gabriele Kopp-Schmidt lassen daher den Gedanken an Huldigung gegenüber einer Koryphäe gar nicht erst aufkommen….