MICHAEL STOEBER
Kunst nach Kunst
Neues Museum Weserburg Bremen, 18.8. – 3.11.2002
1890 schreibt Vincent van Gogh selbstquälerisch an seinen Bruder Theo: “Künstler sein heißt suchen, ohne je ganz zu finden.” Ein halbes Jahrhundert später verkündet Picasso triumphierend: “Ich suche nicht, ich finde.” Beide Behauptungen, wie unterschiedlich auch immer in der Stimmungslage, haben ein gemeinsames Zentrum: die Vorstellung vom Künstler als Originalgenie. Künstler sein, heißt für van Gogh wie Picasso, neue Wege zu gehen, den Prozess der Kunst voranzutreiben. Ein teleologisches Fortschrittsdenken grundiert sowohl die Kunstvorstellung des an sich leidenden van Goghs wie das des selbstbewussten Picassos. In unserer Zeit denken die meisten Künstler anders. Nicht mehr die sich selbst behauptende und sich selbst genügende ästhetische Geste steht im Mittelpunkt ihres Schaffens, sondern ihre Kunst nimmt Bezug und Stellung. Sie ist Kontextkunst, Appropriationskunst. Statt freier Aktion, verbindliche Reaktion. Statt Erfindung, Hinzuerfindung. Dabei geht es darum, Theorien und Statements, Setzungen und Gesten anderer Künstler kritisch und ironisch, auch staunend und bewundernd zu betrachten, zu hinterfragen, zu kommentieren und – wo nötig – zu konterkarieren.
Eine sehr sehenswerte, von Peter Friese kuratierte Ausstellung im Neuen Museum Weserburg in Bremen, geht dieser essentiellen Bewegung in der Moderne nach. In gewisser Weise ist die aktuelle Schau “Kunst nach Kunst” eine Art Fortsetzung auf breiterer Ebene der vor vier Jahren ebenfalls von Friese eingerichteten Ausstellung “Minimal Maximal,” die den Einfluss der Minimal Art auf die nachfolgenden Künstlergenerationen untersuchte. Auch bei der aktuellen Ausstellung fällt auf, dass Minimal Künstler wie Sol Lewitt, Donald Judd oder Carl Andre nicht aufhören,…