Martin Heller
Kunst kommt von brauchen
Imitation als Teilhabe
Hartnäckig hält sich die Meinung, Kunst und Leben hätten ihre liebe Mühe miteinander. Diese Meinung ist ebenso falsch wie bequem. Unverstellt simpel kommt sie zwar selten auf den Tisch. Ihre Wirkung indessen drückt mühelos durch: in unzähligen Schutzbehauptungen, Gemeinplätzen, Diskursschlaufen, Theoremen, Anekdoten und Trivialismen des Kunstbetriebs. Was wird da nicht alles pathetisch eingefordert – das Leben gegenüber der Kunst, die Kunst gegenüber dem Leben und beide zusammen gegen den Rest der Welt! Natürlich produziert solche Gestik in einer Gesellschaft, die ihre Kunst längst zum Massensport befördert hat, zwangsläufig Widersprüche. Seltsamerweise aber behindern diese Widersprüche das Sozialsystem Kunst kaum. Denn eines muss man dem System zugute halten: es funktioniert. Nicht besser oder schlechter als manches andere, aber immerhin. Seine Paradoxa sind deshalb Symptom und Diagnose zugleich. So mündet die ständig beklagte Zerrissenheit von “Kunst” und “Leben” problemlos in einander entgegenstehende und sich doch ergänzende Wertbehauptungen. Etwa: Kunst und Leben könnten nicht zusammenkommen, weil das fragile Kunstideal des utopisch Besseren gegen die kommerzialisierten, pervertierten, von der zeittypischen Mixtur aus Verzehr und Verschleiss bestimmten Verhältnisse leider den kürzeren ziehe. Oder – so das komplementäre Muster – sie verfehlten einander darum, weil eine korrumpierte, milieugeschädigte Kunst ihren eigentlichen Auftrag nicht wahrnehmen könne: die auf Veränderung zielende Bearbeitung des Lebens selbst. Beide Argumentationen versuchen, aus Scherben zu lesen. Etwas ist, davon gehen sie aus, zerbrochen – was voraussetzen würde, dass es vorher intakt war. Beiden gemeinsam ist überdies der Wunsch nach neuer Ganzheit: entweder durch eine mit ästhetischen…