Amine Haase
Kunst, jenseits des Erinnerns
Eine Ausstellung auf der Suche nach der verlorenen Zeit:
»Marcel Proust, l’écriture et les arts«
Bibliothèque nationale de France, Paris, 9.11.1999 – 6.2.2000
Die verlorenen und die wiedergefundene Zeit, das Erinnern, die Gegenwart und das Zeitlose – Thema für Leben und Kunst von Marcel Proust. In seinem Werk “A la recherche du temps perdu” sind Leben und Kunst eins, ein Drahtseilakt des Erinnerns und ein Abenteuer des Schreibens. Mit 38 Jahren begann Proust mit den Aufzeichnungen, und zum Zeitpunkt seines Todes dreizehn Jahre später, 1922, waren sie nicht völlig abgeschlossen. (Um die posthume Veröffentlichung des letzten Kapitels “Le temps retrouvé” 1927, mit editorischer Hilfe seines Bruders Robert, ist in Frankreich ein heftiger Streit entbrannt.) Aus kaum einem anderen Werk lassen sich die “Zeichen” für die Zeit, die wir verlieren und die verloren ist, die wir wiederfinden und die wiedergefunden ist, in so nuancenreichen Abstufungen lesen. Deuten wir sie – wie Gilles Deleuze das in seiner 1964 erschienenen Analyse “Marcel Proust et les signes” getan hat – dann kann man zu der Erkenntnis gelangen, dass die sublimste Art der Begegnung mit der Welt und die höchste Form ihrer Transformation die Kunst ist. Wenn die Welt ein System von Zeichen ist, aus denen wir “die Wahrheit” erkennen können, dann führen uns die “Zeichen der Kunst” am weitesten, denn sie allein sind immateriell. Damit sind sie dem materiellen Verfall, dem Tod entzogen. So kann man Proust wie einen Versuch lesen, dem Tod zu entkommen, denn “die einzige Chance liegt…