KUNST IM LICHT VON KONKURRENZ, NEID UND RIVALITÄT.
HERAUSGEGEBEN VON RAINER METZGER
Bringt man fünf Kinder mit fünf Spielsachen zusammen, so werden sie sich mitnichten ins Gegebene teilen. Vielmehr werden sie sich unverzüglich um ein einziges der Objekte balgen, um jenes nämlich, für das sich ein Kind zuerst entschied und das eben durch diese Wahl an Attraktivität gewonnen hat. An diesem Spielzeug muss etwas Besonderes sein, so denkt es im Kleinen, und in der Miniaturwelt des Kinderzimmers ist jener Mechanismus des “Das will ich auch haben” zutage getreten, der als Neid, Rivalität, Konkurrenz die gutnachbarschaftlichen Beziehungen von Personen oder Nationen immer schon motiviert hat. Die Art und Weise, wie Kinder miteinander umgehen, hat durchaus etwas Gnadenloses, und wenn eines von ihnen weint, gibt es um so deutlicher zu verstehen, dass der Anlass des Streitens eine existenzielle, gleichsam anthropologische Dimension hat.
Im Allgemeinen verzichten die Erwachsenen auf größere Interventionen und lassen dem Defilee der kleinen Napoleons ihren Lauf. Dieses Gewährenlassen mag sich daraus erklären, dass man bald einsieht, es sowieso nicht ändern zu können. Und dieses Gewährenlassen mag sich daraus erklären, dass man seine Folgenlosigkeit betrachtet. In der Quarantänestation des Kinderzimmers herrschen eigene Regeln, herrscht Autonomie. All die Scharmützel, Eifersüchteleien, Narzissmen und Dreistigkeiten lassen sich relativieren, weil die Sandkastenschlachten keine Auswirkungen auf die Welt jenseits des infantilen Horizonts haben. Die Kleinen spielen ja nur, wie man sagt.
Der französische Anthropologe René Girard hat aus den Beobachtungen im Kinderzimmer nicht weniger als seine “Theorie des mimetischen Begehrens” entwickelt, die ihm die vitale Formel schlechthin scheint. Weil…