Kunst der Fiktion der Kunst
Eine Dokumentation in zwei Teilen
Herausgegeben von Thomas Wulffen
Die Funktion ‘Fiktion’ dient dazu, den Realitätsgehalt der Wirklichkeit fest zu stellen. Dieser ist mittlerweile immer mehr zur Disposition gestellt angesichts einer Bilderfülle, die jegliche Dimension überschreitet. Das hat seine Folgen. Können wir uns noch die unschuldigen Bilder von Didier Bay vorstellen (siehe Kunstforum Bd. 202, S.72 bis 75), ohne an eine Überwachungskamera zu denken. Erwarten wir hier nicht eine Inszenierung der Wirklichkeit? Der übliche Werkbegriff der zeitgenössischen Kunst ist aufgehoben. Die distinkte, unterscheidbare Einheit geht auf im Begriff des ‘Modell’ als fiktive Entität. Kunst wird zur Modellbildung. Und die schafft dann auch gleichzeitig die Kreation eines dazu passenden Künstlers.
Die Figur des Künstlers
Gegenüber dem Werk behauptet die Figur des Künstlers den Vorrang. Gottgleich schwebt er als Schöpfer neuer Welten über dem Volk, das dem pontifex maximus huldigt. Die Legenden zum Künstler bevölkern die abendländische Literatur. Die Legenden sind Fiktionen und dennoch zeigt sich in diesen Fiktionen der Vorrang des Künstlers gegenüber dem Werk. Davon lässt sich ein Abglanz noch finden in Daniel Kehlmanns Künstlerroman ‘Ich und Kaminski’. William Gibson schreibt ein Buch über den Künstler Nat Tate und lässt zu Veröffentlichung Andy Warhol auftreten. Stefan Koldehoff hat in einer umfangreichen Studie dargestellt, wie der Kunsthändler Julius Meier-Gräfe den Künstler Vincent van Gogh ‘erfindet’. Und die Figur Andy Warhol ist die Erfindung eines Künstlers mit demselben Namen. Der Schritt zum unbekannten Künstler ist eine späte Konsequenz. Dieser Unbekannte Künstler war überall dabei, bei den Trinkgelagen und bei…