Martin Seidel
Kunst am Bau – Klotz am Bein?
Perspektiven einer unterschätzten Gattung
Kunst ist eine komplexe Angelegenheit. Erst recht die Kunst am Bau. Denn öffentliche Kunst verhält sich zur Kunst, die für den „musealen Freiraum“ bestimmt ist, ein wenig so wie die Architektur zur Kunst in dem Grundsatz von Adolf Loos: „Ein Haus hat allen zu gefallen. Zum Unterschiede zum Kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. Das Kunstwerk ist eine Privatangelegenheit des Künstlers. Das Haus ist es nicht. Das Kunstwerk ist niemandem verantwortlich. Das Haus einem jedem.“1 Kunst am Bau ist wie das Haus bei Loos „jedem“ verantwortlich: dem Künstler, dem Architekten, dem Bauherrn, dem Kunstkenner, dem Nutzer und der Öffentlichkeit. Die Crux dieser künstlerischen Sonderdisziplin besteht also darin, Kunst zu fördern, die einerseits hohe ästhetische Standards erfüllen, andererseits in der Lage sein soll, die Bedürfnisse unterschiedlicher „ästhetischer Milieus“ dauerhaft auszudifferenzieren. Ein schwieriges Unterfangen!
Viele Verantwortliche der öffentlichen Kunst legitimieren Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum demokratisch. „Wien denkt weiter“, ein Projekt zur Kulturpolitik der Stadt Wien, formuliert programmatisch: „Kaum eine andere Form der Kunst ist so leicht und so vielen Menschen zugänglich wie die Kunst im öffentlichen Raum. Sie beeinflusst das Stadtbild mit, belebt den öffentlichen Raum, stärkt die Identität einzelner Stadteile und ermöglicht allen Wiener/innen und Besucher/innen einen niedrigschwelligen Zugang zu zeitgenössischer Kunst.“2
Das heißt natürlich nicht, dass das Angebot von Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum bei den jeweiligen Adressaten auf Gegenliebe stößt. Nach wie vor hat öffentliche Kunst es schwer und muss mit Ressentiments…