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Gespräche mit Philosophen · S. 204 - 207
Gespräche mit Philosophen , 1986

Kunst: Alternatives Modell der Erkenntnis?

Stephan Schmidt- Wulffen: Ein Gespräch mit Dietmar Kamper

Stephan Schmidt-Wulffen: Herr Kamper, Ihre »Geschichte der Einbildungskraft« verstanden Sie als den Versuch, »zu begreifen, was heute geschieht«. Was geschieht heute? – Befinden wir uns Ihrer Meinung nach in einem entscheidenden kulturellen Entwicklungsmoment?

Kamper: Es hat den Anschein, daß sich eine für die Orientierung der Menschen radikale Veränderung vollzieht. Während es bislang weitgehend unbestritten war, daß zur Orientierung in der Welt das Organ der Vernunft nötig, aber auch hinreichend ist, wird es immer klarer, daß in bestimmten Situationen eben diese Vernunft nicht mehr ausreicht, um adäquat zu reagieren. Das ändert, glaube ich, Entscheidendes. Die herkömmliche Aufteilung der Weltsichten, einer Traum und einer Tagsicht der Dinge, privilegierte das Realitätsprinzip der Vernunft und nahm das andere eher nur beiläufig wahr. Ich vermute nun. daß sich das umgekehrt verhält, daß fundamentaler die Einbildungskraft ist und eher beiläufig und oberflächlich Verstand und Vernunft.

Ich bemühe mich seit einigen Jahren nachzuforschen, was es mit dieser Einbildungskraft, Imagination, Phantasie, auf sich hat, die für das Realitäts- und Orientierungskonzept der Neuzeit eine sehr untergeordnete , fast verdrängte Bedeutung gehabt hat. zumindest zu haben schien. Und in dem Zusammenhang sehe ich die Veränderung, nach der Sie fragen, darin, daß sich in den Resultaten unserer projektiven, aber auch sehr rezeptiven Welterfahrung eine Gewichtsverlagerung vollzieht, so daß man fast von einer Überkreuzung von Realität und Fiktion sprechen kann. D.h. das Fiktive wird immer wichtiger und das Reale verschwindet, entleert sich, wird immer weniger greifbar.

SW:Kann man eigentlich Gründe für diesen Wandel angeben?

K:Man…

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