ROLF SACHSSE
Kunst als schnelle Nummer
VOM KAMPF DER WAHRNEHMUNG GEGEN DEN GEBÜHRENZÄHLER:
EIN DEUTSCHES DRAMA
Ende der siebziger Jahre dieses Jahrhunderts kam die deutsche Bundespost mit ihrem Bildschirmtext-Angebot auf den Markt, schon damals vom Benutzerkomfort wie von seinen massenkommunikativen Möglichkeiten weit hinter internationalen Vergleichsangeboten, etwa dem französischen Minitel, zurückbleibend. Den kulturellen Anspruch des Unternehmens mussten eine Design-Anleitung namens ‘Mosaic’ und eine Seite mit fünf Graphiken “anerkannter Künstler” unterstreichen. Dabei blieb es dann auch. Jeder Versuch, mit kleinen Künstler- oder Design-Agenturen in diese Technik einzudringen, wurde von den Staatsmonopolisten als Eingriff in deren Hoheit angesehen und mit Hilfe unendlicher Vorschriften und Anmeldeformulare rüde abgewiesen. Eine der fünf Graphiken hat es später zu weiterer Verbreitung auf heimischen Computern gebracht: der Frankfurter Thomas Bayerle hatte eine nette Autobahn winziger Wagen auf den Btx-Schirm gezaubert, die Microsoft sogleich für einen Hintergrund von Windows 95 abkupferte. Ob er dafür gelegentlich eine rechtliche Abfindung bekommen hat, weiß ich nicht.
Niemand – auch die damaligen Künstler der fünf Seiten nicht – hat jemals daran gezweifelt, dass es sich bei diesen Btx-Seiten um die verschämte Verschönerung einer prinzipiell unansehnlichen Informationsverteilung handelte; es war die Kunst am Bau für eine uninspirierte Rechnerarchitektur. Die Design-Anleitung von Manfred Eisenbeis – die Btx-Pioniertat mündete im Gründungsrektorat der Kölner Medienhochschule – war denn auch die Illustration eines technischen Sehnsuchtsmusters; farblich wie formal wurden die Konventionen eines verwässerten Bauhaus- und Ulmer Grundkurses herunterdekliniert, ohne auch nur den geringsten Versuch einer Ausweitung gegebener Bildvorwürfe zwischen Konstruktivismus und Fotorealismus zu unternehmen. Für die Bundespost war Kunst nicht mehr…