Florian Rötzer
Kulturgesellschaft und Hyper-Tech.
1991, und zwar am 19. und 20. Februar, habe, so verkündet man uns, das dritte Jahrtausend begonnen. Wer so auf der Überholspur sich festsetzen will, kann nur noch aus der prosperierenden Computerszene stammen, die sich nicht nur mit Innovationen im Dschungelkampf der Konkurrenz überschlägt, sondern auch entsprechende Hoffnungen schürt, was alles demnächst möglich sein wird. Geläufig sind die Worte, die Ultimatives evozieren. Schneller, komplexer, kreativer, mehr muß alles sein. Hyper ist das Zauberwort für das Neue geworden. Man darf gespannt sein, was danach kommt, um die Erwartungen weiter zu schüren. Sehr schön hat ein Referent die zukünftige Eroberungsmentalität beschrieben. Nachdem in Kalifornien das “Go west” zum Ende gekommen sei, also nach der territorialen Kolonisation, bleibe nur noch der wenig attraktive Gang nach oben in den Weltraum oder eben die Eroberung der Imagination, die Kolonialisierung der unendlichen Datenräume.
Das Software-Unternehmen Borland hat in München ein “European Software Festival” mit einer “weltweiten (Computer)-Genie-Mannschaft” organisiert, das trotz allen fast peinlich überdrehten Werbedesigns ein Lücke füllt. In München konzentrieren sich zwar Computerunternehmen, aber anders wie etwa in Köln oder Karlsruhe sind diese wie eine entsprechende Kunstszene kulturell nicht präsent gewesen. Die einzige Computerkunstgalerie macht gerade dicht, und die Computerkünstler kann man an einer Hand abzählen. Noch bevor das Münchner Kulturreferat im April eine ähnliche Veranstaltung als Versuchsballon startet, um das Interesse an der künstlerischen Verwendung der neuen Technologien zu erkunden, hat also Borland mit einem immensen Etat den Durchbruch geleistet, die Technik mit der Kultur zu assoziieren, wenn auch aus naheliegenden…