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Titel: Realkunst - Realitätskunst · S. 118 - 131
Titel: Realkunst - Realitätskunst , 1987

Kultur der Normalität

von Udo Ropohl

Was ich mit »Kultur der Normalität« bezeichne, ist das Allgemeine, Übliche, Durchschnittliche. In der allgemeinen Kultur gibt es ganz unterschiedliche und gegensätzliche Orientierungsweisen, Angepaßtheit wie Widerstand, Opposition wie Nachahmung, Kreativität wie Langeweile. So wie es letztlich keinen Sinn macht, im Normalen das Gesunde zu sehen, so macht es auch keinen Sinn, Normalität, also Normal-Sein, als Krankheit eines Gesellschaftszustandes zu diagnostizieren. »Normalität« ist kein analytischer Begriff, sondern lediglich eine Metapher, ein bildlicher Ausdruck für das Durchschnittliche, Nicht-Extreme oder Nicht-Besondere. Indem ich bewußt dieses problematische Wort »Normalität« verwende, kritisiere ich die herkömmliche, vor allem in Medizin, Kriminalistik und Pädagogik verbreitete Vorstellung, das quantitativ und statistisch gemessene Durchschnittliche könne Richtschnur und Maß im Sinne von Vorschrift und Norm der Gestaltung von Lebenspraxis sein. Im Herkömmlichen ein Ideal schlechthin sehen zu wollen, entspräche dem Normalitätsdogma nichtdemokratischer Gesellschaften, dem Polizeistaat und der totalitären Institution.

1. Interview mit Gisela W. (Sekretärin)1

Ich möchte gern mit Ihnen durch die Wohnung gehen und die einzelnen Möbel angucken und Sie nach der Herkunft jedes Möbelstücks fragen, und danach, was Ihnen die einzelnen Sachen bedeuten. Da interessiert mich zunächst die Herkunft der einzelnen Stücke.

Tja, also das weiß ich nicht. Ich hab’ meine Schwester gefragt, die weiß das auch nicht, ob die alten Sachen noch aus Guben stammen – da bin ich ja geboren.

Ich finde es nicht so schlimm, wenn wir die Geschichte nicht bis zu den Eltern zurückverfolgen können. Fangen wir einfach mal an mit dem Wohnzimmerschrank.

Der muß in den 50er Jahren gekauft worden sein. Ich muß noch…

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