Gerhard Johann Lischka
Kühle(r)schönheit
Schönheit ist eine Form, der wir uns widerspruchslos hingeben. Bei ihrem Erscheinen schwindet unser Selbstbewusstsein und wir lassen uns vom Bannstrahl der Farben und Formen, der Worte, Klänge und Stimmungen nicht nur betören, wir werden zum Objekt, das willfährig in die Gegenwärtigkeit des Schönen eintaucht. Wer oder was immer die Schönheit ist, spielt dabei keine Rolle, denn Schönheit wird zwar subjektiv empfunden, ist aber eine objektive Größe, die über uns verfügt. Sind die Geschmäcker darüber, was schön ist, bestimmt verschieden: die je individuelle Wahl der Schönheit empfindet diese mit derselben Intensität. Und eine große Anzahl Menschen muss sich darüber einig sein, was sie für schön halten. Wie wäre es sonst möglich, dass sich sowohl die Naturschönheit, die Werbeschönheit und die allgemein anerkannte Kunstschönheit seit Jahrtausenden in den unterschiedlichsten Gesellschaften als Konstante etabliert haben?
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Das Geheimnis der Schönheit wollte immer wieder gelüftet werden. Ist es die Jugendlichkeit, das Glatte, die Frische, die Proportion oder die Materialität, die Anziehungskraft? Es ist die in Bezug auf ihr Erscheinen perfekte Mischung, etwas Einmaliges und doch Bekanntes. Wahrscheinlich ist ihre Formel auch deswegen nicht zu erstellen, weil sie uns gleichzeitig mit ihrer Präsenz befreit und knechtet. In dem Moment, da sie uns berührt, geben wir uns auf. Sobald wir sie rufen, wird sie sich uns verweigern. Und sind wir auf sie nicht gefasst, zeigt sie sich plötzlich. Sogar was an der Schönheit schön ist, wird sich uns entziehen und in anderer Form sich zeigen, als wir gewohnt sein wollten, dass sie sich uns…