Künstlerische Existenz zwischen Kunst und Migration(en)
von Ansgar Schnurr und Jana Tiborra
Auf dem Sprungbrett eines vom beginnenden Zerfall gezeichneten Schwimmbades steht eine Person und blickt in die Tiefe des Beckens, in dem das Wasser bis auf einen trüben Rest abgelassen ist. Einige Meter trennen sie vom blau gekachelten Becken, das sich unter der Person als Leere auftut. Der Blick geht hinab durch diesen Zwischenraum zwischen oben und unten, zwischen sicherem Stand und freiem Fall. Ein latentes Risiko liegt in der zu sehen gegebenen Szene, eine Verunsicherung hinsichtlich des möglichen nächsten Schritts, der Stabilität aufgibt und nach dem alles anders sein wird. Wie ist die Person in diese labile Situation, in diesen Zwischenraum gelangt? Der kuwaitische Künstler Tarek Al-Ghoussein (*1962) inszeniert sich in der Fotografie „K Files 735“ aus dem Jahr 2013 wie auch in vielen weiteren Selbstporträts stets in Gestalt einer nie gänzlich identifizierbaren Person, die sich in Situationen des Übergangs oder der unbestimmten Schwebe befindet. Dazu sucht der kosmopolitische Fotograf und Performer, der sich im Alltagsleben wie in seiner Kunst mit Migrationen befasst, vorwiegend Orte des Übergangs auf: Flughäfen, Lagerplätze, Hafenanlagen, aber auch Wüstenlandschaften, die er durchschreitet, und eben auch ein aufgegebenes Schwimmbad: uneindeutige Szenen des Transits mit immer spürbarer Ungewissheit.
Eine andere Perspektive auf die Erfahrungswelten der Migration bietet die kenianische Diasporakünstlerin Wangechi Mutu. Die Erfahrungen der Fragmentierung und Verpflanzung, die mit manchen Formen der Migration einhergehen, spiegeln sich sinnbildlich in Mutus Collagetechnik wider. Mutu konstruiert hybride Wesen und futuristische Welten, bei denen die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Maschine,…