Hans-Jürgen Müller
Kritik der Provinzkritik
Bei den Vorbesprechungen über die inhaltliche Ausstattung dieser Ausgabe waren wir als Veranstalter der Ausstellung “europa 79” davon ausgegangen, auf den Abdruck von Zeitungskritiken zu verzichten.
Nach Ablauf der Veranstaltung sind wir anderer Meinung. Viele Kritiker nämlich haben sich ihre Arbeit so einfach gemacht, daß wir im Nachhinein der Überzeugung sind, sie hätten bestimmt nichts gemerkt, wenn wir beispielsweise alle ausgestellten Exponate auf den Kopf gehängt hätten.
Anhand weniger Beispiele sollen im folgenden fachliche Unrichtigkeiten und böswillige Erfindungen dokumentiert werden, mit denen Kunstkritiker zwar publikumswirksame Anreize schaffen, den Leser jedoch falsch informieren. Ist Lieschen Müller nämlich erst einmal auf den Leim gekrochen, wird sie den folgenden Verriß im Sinne ihrer eigenen Vorurteile genießen.
1. Beispiel: (“Die Welt” Lothar Schmidt-Mühlisch)
“Ein englischer Maler kam nach Stuttgart zur Ausstellung ,europa 79 – Kunst der 80er Jahre’. Er suchte sich einen Raum aus und begann, von den Veranstaltern wohlwollend betrachtet, die Wände neu zu streichen. Als er dann noch einen echten Perser ausbreitete, murmelten die Damen und Herren Abteilungsleiter verständnisinnig: ,Aha, ein Environment!’ Dann aber packte der zurückhaltend schweigende Brite seine Pakete aus, und hervor kamen zum allgemeinen Entsetzen richtige gemalte Bilder, Stilleben, Landschaften, Akte.
Doch schnell hatte der oberste Ausstellungsleiter seine Fassung wiedergewonnen: ,Ach so, Sie wollen in einer Art Umkehrung von Marcel Duchamp demonstrieren, daß nach einer Periode der Bilderverdammung nun eine Aktion .Bilder zurück in die Museen!’ folgen soll. Sehr interessant!’ Der Brite schwieg noch immer, bis der zitierte Herr ihn fragte: ,Nun sagen Sie mir doch mal, wo haben…