Kraft und Variation
Wolfgang Nestler im Badischen Kunstverein Karlsruhe
Wer in der Berliner Schmidt-Rottluff-Stipendiaten-Ausstellung Zeichnungen von Wolfgang Nestler gesehen hat, durfte enttäuscht sein: konventionelle Kompositionen, an denen die Titel (,,Weg zum Neubau”, “Leiter zum Baum” u. ä.) noch das Interessanteste waren. Gleichwohl wäre es müßig, über den Wert dieser Blätter und darüber rechten zu wollen, ob es von Belang sei, sie zu zeigen – für Nestler nehmen sie offenbar einen bestimmten Stellenwert innerhalb seiner Arbeit ein, und einer Institution wie der Karl-Schmidt-Rottluff-Förderungsstiftung steht es sicher gut zu Gesichte, wenn sie den Mut hat, nicht nur Glanzseiten zu zeigen.
Im Badischen Kunstverein, wo eine Art Teil-Retrospektive über Nestlers Werk stattfand, hat man auf die Präsentation von Zeichnungen ganz verzichtet, ist man auf seine Photographien nur summarisch eingegangen und hat sich ansonsten ausschließlich auf die Skulpturen der letzten 14 Jahre konzentriert. Eine kluge Entscheidung von Andreas Vowinckel, der seit etwa einem dreiviertel Jahr mit knappem Kapital in Karlsruhe Programm macht. Klug deshalb, weil durch den Verzicht auf dokumentarische Ausführlichkeit eine Ausstellung zustande gekommen ist, die klar, knapp und konzise Nestlers skulpturale Intentionen zum Ausdruck zu bringen in der Lage war.
Zwei Schwerpunkte waren gesetzt: In den oberen Räumen die leichten, “zarten”, drahtigen Arbeiten (außerdem in einem Raum Photos), ein Stockwerk tiefer Nestlers Balanceakte mit den Gesetzen der Schwerkraft. Der obere Teil erschien als der “gewichtigere”, eindrucksvollere. Dort hingen, standen, lagen jene Konstrukte, die Nestler aus langen, dünnen Drahtspeichen und kleinen kubischen und verschraubbaren Verbindungselementen zusammensetzt, und die filigranen Metallbaukästen gleichen. Denn die Sterne, Wedel, Quadrate, Kuben,…