Jochen Becker
KP Brehmer
»Alle Künstler lügen«
Museum Fridericianum Kassel, 4.10. – 29.11.1998
KP Brehmers Ausbildung zum Repro-Techniker kennzeichnet treffend Berufsausbildung und Klassenlage, künstlerische Profession sowie Vorgehensweise des Medienarbeiters. Werkkunstschule in Krefeld, Glasmalerlehre, freie Grafiklehre an der Düsseldorfer Akademie und anschließende Reprodruckerausbildung markieren eine künstlerische Laufbahn, die viel mit beruflichem Handwerk, jedoch wenig mit akademischem Geniekult zu schaffen hatte: “Werft eure Paletten auf den Misthaufen. Laßt Eure Produkte in Druckmaschinen rotieren. Die Kunstpostkarte in jedes Haus!” lautete 1966 das ,Kleine Manifest der Kunstpostkarte’, während in der Beuys-Klasse zeitgleich Jörg Immendorff sein ,Hört auf zu malen’-Bild im Waschbecken abstellte. Zwischen Rauschenbergs Techno-Pinup-Sexismus und Polkes 50er-Jahre-Muff-Ironisierung bewegen sich Brehmers frühe, schon bald virtuos montierte Klischeedrucke und Objektgrafiken. Kunst fand nun auch im Schaufenster statt, um diese ,bildungsfernen Schichten’ nahezubringen, während Gleiches heute eher zur Aufwertung des Verkaufsstandortes betrieben wird.
Brehmers Auswahl an Farben und Motiven sowie seine an Produktverpackungen und -präsentationen geschulten Objekte wirken auch heute noch attraktiv. Der Blick ist rasch gefangen; die agitationsartigen Bildaussagen greifen. Ähnliches kennt man von stilsicherer Werbung der 60er Jahre. Zur Warenförmigkeit der Kunstproduktion, dem Bild als Gegenstand sowie Problemstellungen der Präsentation innerhalb einer Ausstellungsinstitution fand Brehmer ganz erstaunliche Lösungsansätze. Dies verselbständigte sich später zusehends, wenn er etwa Ende der 60er Jahre mit großer Virtuosität eine ,Ideale Landschaft’ aus Farbwertskalen, simulierten Fernsehbildern, Farbtuben und Andrucken arrangierte, oder halbseitig mit Holzfunierimmitat beklebte Designerstühle aus Kunststoff auf den Mythos ,Deutscher Wald’ verwiesen.
KP Brehmers wohl bekannteste Werkgruppe umfaßt seine Briefmarken-Sammlung. Die auf ca. 30 x 30 cm hochvergrößerten Formate, die “Auswahlbeutel” oder…