Jochen Becker
Körperwelten
»Einblicke in den menschlichen Körper«
Landesmuseum für Technik und Arbeit, Mannheim, 29.10.1997 – 1.3.1998
Am Anfang war der Teufel los: Noch am Vorabend der Eröffnung sollte eine durch Baden-Württembergs Ministerpräsidenten einberufene Sitzung die Mannheimer Sonderausstellung ‘Körperwelten’ stoppen, da diese “Einblicke in den menschlichen Körper” anhand präparierter Leichen ermögliche. Auch Kirchenvertreter rieten vom Besuch dringend ab und heizten die Stimmung weiter auf. Nach einer durch Publikumsansturm erzwungenen Verlängerung sowohl der Laufzeit wie auch der Öffnungszeiten bis 22 Uhr werden nunmehr im Landesmuseum für Technik und Arbeit bis zu 700.000 Gäste erwartet. Dies übertrifft deutlich die BesucherInnen der documenta X, welche allerdings nur 100 Tagen lief.1 Zu Stoßzeiten standen gegen Ende 15.000 Menschen täglich bis tief in die Nacht für mehrere Stunden Schlange, um mit gefaßtem Ernst die über 200 echten menschlichen Exponate zu sehen. Das filigrane Aderwerk eines männlichen Unterkörpers, ein aus seinem Skelett heraustretender Muskelmann, ein Körper voller wie Blätterteig aufgefächerten “chirurgischen Fenster” oder ein rundumversorgter Prothesenmensch mit künstlichen Gelenken, Knochenplatten, Herzschrittmacher und chirurgischen Spreizer reizen durchaus zum Widerspruch. Doch Kinder – unter 14 Jahren nur in Begleitung von Erwachsenen – wie Rentner begutachteten ebenso wißbegierig wie andächtig die aufgebauten Körperscheiben, Magenschleimentzündungen, Fortpflanzungsorgane oder ein wie eine Russenpuppe auf drei Meter expandiertes Präparat. So muß es wohl auf Pilgerfahrten zugehen.
Gunther von Hagens Ausstellung ist ein Politikum und auch eine Sensation, doch kein Spektakel. Neonstarkes Licht, verständliche Texttafeln, nüchterne Metallvitrinen, dazwischen wie im Krankenhaus eingetopfte Pflanzen und medizinisches Personal, welches Auskünfte über Prostataleiden, Fettleber oder Raucherlungen erteilt, lassen Gedanken an…