Michael Hübl
Kontrapunkt
»Zwei Arbeiten in Beziehung zu Rodin«
Park des Musée Rodin, Paris, bis 30.9.1990
Art Köln, 15. – 21.11.1990
Auf der “Art” in Köln war sie wieder akut – die Sockelfrage. Sigmar Polkes “Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere Kartoffel umkreisen kann. (Kartoffelmaschine)”1, Baujahr 1970, erwies sich nämlich keineswegs nur als kinetische Ergänzung zum Knollenzauber auf Jörg Immendorffs 1991er-Kalender2, dessen Titelblatt ein Selbstporträt des Meisters nebst einem knappen Dutzend der runden Fritten-Rohlinge ziert. Polkes Lebensmittelrotationsmaschine erinnerte vielmehr auch an die Bildhauerei und an den radikalen Bedeutungs-, Funktions- und Rezeptionswandels, dem sie seit Beginn dieses Jahrhunderts unterzogen war. Denn: Das Gestell, das sich Polke vor zwei Jahrzehnten zurechtzimmerte, ist der blanke Spott. Ein jämmerliches Möbel, das mit den massiven Holzböcken, auf denen Plastiker gemeinhin ihre Figuren modellieren, allenfalls die äußeren Konstruktionsmerkmale gemein hat und bei der ersten größeren Belastung zusammenbrechen würde. Verkehrte Welt: Statt einer Drehscheibe, die dem Künstler die umfassende Gewalt über sein Produkt sichert, bietet Polke nur krummen Draht. Vom hehren Dialog zwischen einem Schaffenden und seinem Werk bleibt allein die Begegnung zweier Kartoffeln.
Das Stück paßte gut zum 150. Geburtstag von Auguste Rodin, der mit seinen “Bürgern von Calais” einen folgenreichen Beitrag zur Emanzipation der Plastik geleistet, zugleich aber auch die gesellschaftlichen Optionen und Vorgaben solcher Aufträge in Frage gestellt hat: Distanz und Repräsentation oder Identifikation durch Nähe lautete die Alternative. Beruhte nun die zeitliche Nähe der Polke-Präsentation zum Rodin-Geburtstag auf einer Markt-Zufälligkeit, so war die Installation, die François Morellet in Paris aufbaute und für die er sich ebenfalls…