Konstanz und Zersplitterung
Die Transformation der europäischen Transavantgarde
VON ARMIN WILDERMUTH
Der Anspruch der Neuen Malerei ist umfassender als es der Begriff Malerei anzeigt. Ihre Regionalisierung, ja Nationalisierung ist längst fragwürdig geworden, zumal sich eine Interessen-Teilnehmerschaft ausgebildet hat, die dafür sorgt, daß die Künstler und Künstlerinnen ihre eigene Tätigkeit immer mehr international ausrichten. Die Konstanz dieses Interesses bewirkt paradoxerweise die Zersplitterung der Transavantgarde. Diese war ursprünglich eine Kunst von begrenzten Gruppen, so in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und der Schweiz.
In kurzer Zeit ist so eine umfassende Kunst-Bewegung entstanden. Sie hat sich – wie die Ausstellung »Zwischenbilanz« manifestiert – öffentliche Anerkennung verschaffen können und ist nun daran, sich unter dem Druck dieser internationalen Anerkennung zu transformieren. Es ist das Eigentümliche dieser Transformation, daß das, was bei anderen Kunstbewegungen positiv bewertet wird, nämlich gesteigerte Kunstfertigkeit, Routine, Könnerschaft, Stilausprägungen, Individualisierung, Institutionalisierung und öffentliche Anerkennung – daß gerade dies Zeichen der Abirrung, sogar des Verlustes des Ursprungs sein könnte. Darum muß man um ihren originalen Impetus bangen. Bedroht ist zum mindestens die ursprüngliche Intention, nämlich das Suchen nach neuen Bildern und Bilderfahrungen, die Flexibilität und die Freiheit, das Bildmedium zu wählen und zu wechseln. Mit Konstanz geht diese Kunstbewegung als Ganzes voran, die ich weiter als Transavantgarde bezeichne, weil ich glaube, daß es gerade in der Neuen Malerei um mehr geht als um Malerei. Eine veränderte Haltung gegenüber der Kunst und der Kunsttätigkeit selber macht sich geltend.
Die bisher sichtbare Internationalisierung bewirkt deutlich eine Zersplitterung in viele Individual-Unternehmen und Kunststar-Profilierungen. Zunehmend scheinen die Kunstkritiker die neue Kunstbewegung…