Rainald Schumacher
Kirsche oder Himbeere?
»Die Kandidaten des Hugo Boss Preises«
Guggenheim Museum Soho, 26.11.1996 – 19.1.1997
Die sechs Kandidaten der Endausscheidung des erstmalig verliehenen Hugo Boss Preises, 1996, wurden in einer Ausstellung in der ebenfalls neu benannten Hugo Boss Galerie im zweiten Stock des Guggenheim Museum Soho präsentiert. Die Ausstellung bot einen erfrischenden Cocktail unterschiedlicher, künstlerischer Positionen und bewies, daß Gruppenausstellungen ohne thematischen oder kuratorischen Brennpunkt sehr gut funktionieren, wenn die Qualität der Arbeiten einem hohen Standard entspricht und großzügige Ausstellungsfläche zur Verfügung steht.
Die Jury hatte nicht über den spezifischen Ausstellungsbeitrag zu entscheiden. Sie mußte entscheiden, welcher der sechs Künstler in der jüngeren Vergangenheit denn nun ein kleines und solides Oeuvre geschaffen hatte, das den wesentlichen Beitrag zur Ästhetik oder zur Entwicklung der Kunst der Gegenwart darstellt, der mit $ 50.000 honoriert werden konnte. Da es erfrischend absurd sein kann, Kirschen mit Himbeeren zu vergleichen, will ich versuchen, einige mögliche Argumente für die Diskussion vorzustellen.
Matthew Barney zeigte die 12 Zeichnungen zu “Cremaster 1” aus der Serie “Choreographic Suite” von 1996 und eine ganze Reihe Colorprints von 1995, die zumeist “Cremaster 1” dokumentieren und in Editionen von 3 oder 6 vorliegen. Von der Marketing Strategie her war dieser Beitrag sicher der entschiedenste, macht er doch deutlich, daß die wachsenden Produktionskosten seiner aufwendigen Performance/Autoren-Filme und die techno-märchenhaften Settings nur finanziert werden können, wenn diese in handelbare Kunstobjekte distribuiert werden. Da gleichzeitig eine ganze Reihe von Autoren dem Oeuvre eine Decodierung von Bildern der Männlichkeit und Weiblichkeit zusprechen – mögen die Bildwelten Matthew Barneys…