Rainer Metzger
Ken Lum
Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 20.1. – 7.3.1993
Der Mann hat Durst. Zwar sieht er im Moment ganz proper aus in seinem frischen Sweatshirt, nüchtern geradezu, doch die glasigen Augen und das wirre Haar und die Unmenge an Falten, die sie rahmen, signalisieren, daß es ab und zu auch schon anders war. Ganz klar, jetzt könnte er wieder mal etwas zu drinken brauchen. “Pete Norris Could Use a Drink” ist entsprechend neben seinem Konterfei zu stehen gekommen, dank Ken Lum, dem Künstler, bleibt Pete nicht auf dem trockenen. Norris’ ganz persönliche Note kleidet sich in die Rhetorik der Werbung. Die vertraute Text-Bild-Kombination des Reklameplakats schafft eine Art Reality-Advertising. Das Foto könnte aus jedem beliebigen Privatalbum sein, die Schrift dagegen ist der Typenkollektion einer PR-Agentur entsprungen. Vor aller konzeptualistischen Freude am Aufeinanderprall einander scheinbar widersprechender Codes fällt an Ken Lums Arbeit zunächst eines auf: Sein Umgang mit dem alltäglichen Problemfall Alkoholismus ist nirgends denunziatorisch. Liebevoll, zutraulich, ganz Freund der kleinen Leute geht Lum zu Werke; entweder er meint es wirklich so, oder aber er ist ein ganz ausgebuffter Werbeprofi.
Was die aufgeplusterte, in einem zu hochmögenden Design gehaltene Schrift mitteilt, verhält sich zu dem Foto nebenan zunächst durchaus affirmativ. So gelesen publiziert Ken Lum einen Zustandsbericht der multikulturellen Wirklichkeit seiner Heimatstadt Vancouver. Wenn neben dem Porträt einer freundlich lächelnden Latinofrau ein “Natividad Castillo Wants Respect!” zu entziffern ist, Seit’ an Seit’ mit einem asiatischen Pärchen in Edelkleidung und mit Blick auf die Skyscraper-Silhouette der Stadt aber ein “Nancy Nishi/Joe Ping…