Keine Hierarchien!
Wim Delvoye im Gespräch über seine „Carte Blanche“ im Mah in Genf
von Sabine B. Vogel
Wie kann ein Museum mit einem so umfangreichen und diversen Sammlungsbestand umgehen wie das Musée d’art et de histoire (MAH) in Genf? Direktor Marc-Olivier Wahler beantwortet diese Frage mit einer Carte Blanche-Ausstellung, zu der er seit vier Jahren externe Kurator*innen einlädt. Auf Jakob Lena Knebl folgte der Kurator Jean-Hubert Martin, anschließend Ugo Rondinone und dieses Jahr Wim Delvoye.
In dem höchst vielschichtigen Werk des 1965 in Belgien geborenen Künstlers erleben wir immer wieder, wie uns vertraute, alltägliche Dinge aus ihrem ursprünglichen Kontext in eine neue, künstlerische Logik übersetzt sind. „Seine Hauptmotivation ist, dass die Kunst dank ihm in alle wirtschaftlichen, volkstümlichen, wissenschaftlichen, pataphysischen usw. Systeme eindringt“, beschreibt es Wahler. Dazu passt, dass Delvoye ein leidenschaftlicher Sammler ist. Bei der Durchsicht des MAH-Depots entschied er bald, für seine Carte Blanche Objekte aus seinem Besitz in die Schau zu integrieren. Und selbstverständlich eigene Werke – das sei Teil des übergreifenden Museumskonzepts, betont er im Gespräch.
Als Ausstellungstitel wählt er Die Ordnung der Dinge: In den 15 Räumen wirbelt er den Status, die Hierarchien zwischen banalen und künstlerischen Objekten durcheinander, durch Verfremdung, eine „Wissenschaft der Umkehrung“ und einen „eleganten Vandalismus“, wie er es nennt. Das beginnt in Saal 1 mit einer lebensgroßen Venus und Adonis-Figur. Ursprünglich von Antonio Canova geschaffen, ist Delvoyes Version in sich verdreht – die Torsionsbewegung verweist auf die „Macht des verzerrenden und neu verortenden Blicks des Künstlers auf die Kunstgeschichte“, wie es im Begleitheft heißt….