Keine Berührungsängste
THOMAS WULFFEN IM GESPRÄCH MIT WOLFGANG POLAK, ZENTRUM FÜR KUNSTAUSSTELLUNGEN DER DDR, AM 10.5.1990
T.W.: Könnten sie Funktion und Funktionsweise des Zentrums für Kunstausstellungen vor und nach dem 9. November darstellen.
W. P.: Eingangs möchte ich erst mal sagen, was sich nicht ändern muß. Wir sind eine Ausstellungs-Austausch-Institution gewesen. Wir haben Ausstellungen aus der DDR ins Ausland gesandt und haben aus dem Ausland Ausstellungen in der DDR gezeigt. Was das letztere betrifft, also den Empfang von Ausstellungen, da gibt es formal nach dem 9. November keinen Grund zur Änderung. Absolut berechtigt ist die Frage nach der Entsendung von Kunst der DDR, denn die Programmatik steckt schon in dem Namen unserer Einrichtung.
Man kann demnächst den Namen”der DDR” streichen, so wie der allgemeine Trend auch aussieht, und dann heißen wir “Zentrum für Kunstausstellungen”, und mit dem Titel kann man dann auch gut leben. Inhaltlich steht die Frage natürlich im Raum: Was werden wir demnächst zeigen? Ich bin da der Auffassung, daß wir in den letzten vier, fünf Jahren im Rahmen des Kulturabkommens einige Ausstellungen gezeigt haben, aber längst noch nicht genügend, um das aufzubauen und auch zu erarbeiten, was sich in den letzten vierzig Jahren in der Bildenden Kunst entwickelt hat. Es wird noch eine Reihe von Jahren dauern, um unsere Kunstentwicklung in den letzten vierzig Jahren sowohl in der Breite als auch in der Tiefe bekannt zu machen, auch mit den Fehlpositionen. Wir bekommen über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus wöchentlich mehrere Anfragen bezüglich Austellungsaustausches. Der Mauerabbruch hat eine moralische Hemmschwelle…