Kein Unterwegssein ohne Heimweh
Heinz-Norbert Jocks sprach mit Nike Wagner, der neuen künstlerischen Leiterin des Weimarer Kunstfestes 2004
Nike Wagner, in Bayreuth aufgewachsen, Ur-Urenkelin von Franz Liszt und Urenkelin von Richard Wagner, seit 1975 als freiberufliche Kulturwissenschaftlerin tätig, ist für die Jahre 2004 bis 2006 zur künstlerischen Leiterin des Kunstfestes Weimar berufen worden. Mit ihr sprach Heinz-Norbert Jocks über die Einbeziehung der Kunst beim Kunstfest.
Heinz-Norbert Jocks: Was bedeutet Ihnen der Ort Weimar?
Nike Wagner: Der Ort ist für mich einerseits eine Fiktion, ein Phantom, ein kulturgeschichtlicher Ballungsraum mit märchenhaft schönen Parks und Schlössern, andrerseits eine ganz normale Kleinstadt nach vierzig Jahren DDR, mit allen Problemen einer Kommune heute, gezwungen, den Forderungen des Über-Ichs namens Kultur zu entsprechen. Zwischen Fiktion und Realität bewege ich mich, manchmal wohl ahnungs- und arglos, aber neugierig.
Nun ist Ihr Programm musiklastiger als früher, was vielleicht mit Ihrem Urgroßvater Franz Liszt zu tun hat.
Die Ausrichtung ist in der Tat “musiklastig”. Aber nicht deshalb, weil ich einen Verwandten nach vorn schieben wollte. Vielmehr fand ich in Liszt den Musiker und Komponisten vor, der die Stadt Weimar musikalisch am nachhaltigsten geprägt hat. Und wenn man schon der Meinung ist, dass ein Festival primär musikalisch definiert sein soll und wenn schon Liszt in Weimar gewohnt und gearbeitet hat, so liegt der Rest auf der Hand. Oder auch nicht: Denn ein “Liszt-Festival” ist das Kunstfest im eigentlichen Sinn nicht. Liszt, sozusagen Übervater und Symbolfigur für dieses Festival, bezeichnet quasi die geistige Richtung. Als Weltbürger und jahrelang Weimarer knüpfte er auf seine Weise an die…