A. Tozzi-Wiesmann
Kein Artifice
Draußen ist Sonnabend. Irgendwo im Prenzlauer Berg umspült Ost-Berlins WeeCee – das Wiener Café in der Schönhauser Allee – allen Dämmen zum Trotz die Altarstufen der trostlosen Kunsttempel mit selbstbefreiendem Mangel am Herrscherlob. Ladenwohnungen und Künstlerateliers werden zu Bühnen hysterischer Leidenschaft.
Junge Literatur und Kunst in der DDR spricht aus ungeheuerlich einzigen – und somit oftmals einsamen – Verstecken. In der kleinen, aber zählebigen Kultgemeinde wärmt man sich gegenseitig. Dialog wird gesucht und der starke Eindruck. Die meisten der Ankömmlinge sind zwischen 20 und 30. Selbstinszenierung ist beliebt. Phantasie belebt die Leerräume. Man versucht originell zu sein und sich zu amüsieren. Nur einigen wenigen, wie anderswo auch, ist das Herz wirklich verstopft.
Die Kunst des Malers Wolfram Adalbert Scheffler (Jahrgang 1956) entstammt diesem Background, doch sie lebt nicht aus ihm. Scheffler ist mit Abstand der Abtrünnigste und sich selbst gegenüber Wißbegierigste aus dem Kreis derjenigen, denen ihr eigenes Gefühl wichtiger ist als der unerschütterliche Unglaube an einen Fluchtweg aus der Einsamkeit.
Vor Jahren – ich höre sie noch tönen, die Friedhofsgärtner der Kunst – zerfetzte man sich in der DDR das Maul über Schefflers rotzige Abkehr von dem, was man offiziell zuzulassen gewillt war. Schefflers “großer disziplinloser Begabung” wurden nur wenige gewahr. Im Rückblick auf eine stattliche Anzahl von Bildern, Bildertagebüchern, Zeichnungen mit Kohle, Tusche, Graphit, Ölkreiden, Färb- und Faserstiften, originalgraphischen Büchern, Plakaten, extravaganten Möbel-Objekten und bemalter Keramik wird jedoch bei genauerer Betrachtung ein souveräner Ansatz fast »klassischer” Provenienz deutlich, sofern man “Klassik” als Streben nach ständiger Disziplinierung der eigenen…