Katharina Sieverding
Eine nationale Identität muss sich permanent neu konstruieren und hinterfragen
von Maria Anna Tappeiner
Katharina Sieverding gehört zu den Pionierinnen, die früh die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten von Fotografie erkannt haben und das Medium fortwährend inhaltlich und formal erweitern. Ihr Thema und Kunstprinzip, sagt die Künstlerin, seien „Transformationsvorgänge“, Fragen nach Identität, Gender und Race. Als Beuys-Schülerin war sie schon früh an politisch-gesellschaftlichen Fragestellungen interessiert, die sie permanent in ihrem Werk reflektiert. Frühe Beispiele hierfür sind der über zweihundert Bilder starke Fotoblock Eigenbewegung (1967–1969) oder auch der Film Life-Death (1969), der die Berliner Studentenunruhen 1969 dokumentiert und kurze Zeit später auf der documenta V gezeigt wurde. Das nachfolgende Gespräch konzentriert sich auf Katharina Sieverdings politische und gesellschaftskritische Arbeiten, speziell auf ihre Auseinandersetzung mit Deutschland. Zu den bekanntesten Arbeiten zählen die 1978 entstandene Fotoarbeit Schlachtfeld Deutschland, ein Statement zur RAF-Zeit und 1993 die Berliner Plakataktion Deutschland wird deutscher mit der Sieverding auf die rechtsradikalen Übergriffe nach dem Mauerfall reagierte. Kurz zuvor realisierte die Künstlerin im Reichstagsgebäude die Gedenkstätte für die verfolgten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik. In ihrer aktuellen Serie Spiegel-Boxes (seit 2013) nimmt Katharina Sieverding die periodische Wiederholung politischer und globaler Themen, wie Krieg, atomare Bedrohung, ideologische Kämpfe und ökonomische Machtstrukturen auf Zeitschriftentiteln in den Blick.
Maria Anna Tappeiner: Ende der 1960er Jahre, zur Zeit der Studentenunruhen, entstanden noch während des Studiums deine ersten Fotoprojekte und Filme. Wie genau bist du zur Fotografie gekommen? Was interessiert dich an dem Medium?
KATHARINA SIEVERDING: 1967, nach mehreren Jahren Theaterarbeit und dem Studium bei Teo Otto an der Kunstakademie…