Jörg Restorff
Katalanische Skulptur im 20. Jahrhundert
Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg, 30.10.1993 – 2.1.1994
Städtische Museen Heilbronn, 4.2. – 10.4.1994
Kunstmuseum Aarau, 29.5. – 31.7.1994
Zeitlich trennt sie kaum mehr als die Spanne eines langen Menschenlebens, Paul Gargallos geschmeidige Marmorstatuette der Cleopatra und Susana Solanos monumentale Eisenobjekte aus dem sperrigen Bezirk der Schwerindustrie. Doch beim Vergleich von Gargallos 1906 geschaffener Jugendstil-Aktfigur, deren erotische Pose zielstrebig als Eye-catcher eingesetzt wird, und Solanos schroffen, abweisenden Objekten aus den späten achtziger Jahren versagt das Modell einer zeitlichen Kontinuität, das dem gebräuchlichen Wort von der “Skulptur im 20. Jahrhundert” zugrunde liegt. Die beiden Werke verkörpern nicht einmal extreme Gegenpole – sie sind recht eigentlich inkommensurabel. Dennoch gehören sie zum Bestand einer aus Barcelona importierten Wanderausstellung über moderne katalanische Skulptur, die im Duisburger Wilhelm Lehmbruck Museum zu sehen war. Da stellt sich die Frage: Wird hier zusammengezwungen, was nicht zusammengehört?
In der Tat vereint die mit 82 Werken von 18 Bildhauern bestückte Ausstellung Disparates. Sieht man ab von Gargallos lasziver Cleopatra, ein Fremdkörper, der sich aus einem Salon der Belle Époque in den sachlichen Museumsbau verirrt zu haben scheint, werden drei Einschnitte erkennbar: bei der in den späten dreißiger Jahren aufkommenden spanischen Eisenskulptur, vertreten mit Beispielen von Pablo Gargallo und Juli González, bei dem Komplex der surrealistischen Werke von Dalí, Miró und Joan Brossa, schließlich in den achtziger Jahren, wo eine neue Generation katalanischer Künstler die traditionellen Bildhauermaterialien wiederentdeckt und eine eigenständige Ausprägung der Minimal-art hervorbringt. Von diesem Mainstream mit den wichtigsten Stationen der katalanischen Moderne zweigen verschiedene Nebengleise…