KANNIBALISMUS
< BLUT >TABUS
1998 führte der Hannoveraner Gastronom Sven Mostegl in seinem Restaurant “Sushi Island” ein “Frauenessen” ein. Zwei Models hatten sich für 800 Mark (408 Euro) Abendgage nackt auf einem Buffet ausgestreckt. Das männliche Publikum durfte mit Ess-Stäbchen Sushi-Rollen vom Körper der beiden Aktricen picken. Das fanden die “Lottofee” Franziska Reichenbacher und die TV-Moderatorin Susanne Fröhlich “geschmacklos”. Sie konterten in einem Frankfurter Restaurant mit einem “Herrenessen”. Radiomoderator Marcus Rudolph -ebenfalls nackt auf dem Tisch liegend – gab seinen Körper als Anrichteplatte her. Statt Sushi lagen Scheiben von “Handkäs mit Musik” auf seiner Brust.1
Neu war Mostegls Idee übrigens nicht. Schon Jahrzehnte zuvor hatte der Surrealisten-Exzentriker Salvador Dali sich an einer Tafel ablichten lassen, auf der ein weibliches Aktmodell lag, deren Körper kunstvoll mit Delikatessen dekoriert war. Das Motiv war damals – in prä-feministischer Zeit – als beliebtes Poster geläufig, an dem niemand Anstoß nahm: Schließlich waren die Geschlechtsmerkmale unter Früchten und anderen Zutaten verborgen, so dass auch die seinerzeit noch recht rührigen konservativen Sittenwächter keinen Anlass zur Aufregung sahen.
In der europäischen Religionsgeschichte lässt sich seit dem Mittelalter eine Ideologisierung des inquisitorischen Hexenwahns und seiner Verbindung mit Vorstellungen von “männermordendem” sexuellen Verschlingen, d.h. mit einem untergründigen Kannibalismus ausmachen. Hans Werner Prahl und Monika Setzwein sehen in dieser Ideologisierung eine psychoanalytische Komponente der Ausübung von Macht, Gewalt und institutioneller Herrschaft: “Die mittelalterliche Vorstellung ging davon aus, dass der Verzehr von Menschenfleisch Zauberkraft verleihe, und die Begriffe ,Hexe’ und ,striga’ wurden synonym für ,Menschenfresser’ verwendet… In etlichen Hexenprozessen wurden angeklagte Frauen bezichtigt, Kinder oder…