Heinz-Norbert Jocks
Jürgen Vogdt
Galerie Kraushaar, 6.11.1988-31.1.1989
Bedrängnisse, Enttäuschungen, Obsessionen und Krisen, alles in allem die wechselnden Emotionen eines hochgradig gereizten Zeichners fließen in die vielen, schnell hingefegten Zeichnungen, wie sensible Psychogramme eines an Cy Twombly, Emil Schumacher und Antoni Tapies orientierten Informellen erscheinend. Jürgen Vogdt, zu spät geboren, um die Geborgenheit des deutschen Wirtschaftswunders ausgekostet zu haben, wohnt noch heute dort, wo er aufwuchs, am Niederrhein, in Rees.
Er, der Vielbelesene, ist ein impulsiver Seismograph psychischer Stimmlagen, ein Linienspintisierer, in dessen nervösen Aufzeichnungen sich Spontaneität und penible Emsigkeit, Drinnen und Draußen, Rüchtiges und Bedächtiges, Hektisches und Langsames, Gestriges und Heutiges unmerklich überlagern und durchdringen. Der 1949 Geborene, ein empfindsamer Wünschelrutengänger, der die fraglichen Texturen und hauchzarten Strichfelder, die wilden Häkchenströme und sich verdichtenden Linienschwärme, die zarten Fettflecken liebt, in die sich die assoziative Phantasie des Dechiffrierens wie ein Taucher hinabtasten kann.
Jürgen Vogdt schätzt den bedächtigen Einsatz, das sanfte Gesetz weniger Farben, auch die ungebrochene Lust zu Ausbrüchen, zur schnellen Eruption, den ewigen Kampf mit dem einer individuellen Ordnung entstammenden Liniengewimmel, den in Strichen überführten Monolog mit dem eigenen Körper und dem des anderen Geschlechts, die Beschäftigung mit dem Chaos, der er die Aura seiner schwebenden Bilder verdankt, die wie Bündel aus hingewehten Eindrücken und hingestrichelten Erinnerungen wirken. Es handelt sich hierbei um intuitive Reflexe auf Gelesenes, um winzige bis grobe Spuren und Abdrücke kreativer Lebendigkeit, weniger um fertige, ausgeformte und abgeschlossene Gebilde, eher um abstrakte, offene Annährungen ans eigene Ich, um vehemente bis stille Linienströme, die sich durchkreuzen und verbinden, wobei Vogdt…