Jürgen Raap
Jürgen Drescher
Galerie Luis Campana, Köln, 10.9. – 30.10.1999
Unter einer simplen Spanplatte auf zwei Schreinerböcken liegen zwei nackte Tannenstämme über Kreuz. Es sind Reste von Weihnachtsbäumen, die Jürgen Drescher auf der Straße gefunden hat. Diese mit eulenspiegelhafter Verschmitztheit arrangierte “Unter Tisch-Skulptur” ist beweglich: Eine Zeitschaltuhr startet alle fünf Minuten einen kleinen Elektromotor, der das Ende des einen Stammes an einer Schnur hin- und herbewegt. Ebenfalls in die Kategorie der kinetischen Plastik gehört das hölzerne weiße Rad, das auf einem flachen Zylinder steht. Beide Teile drehen sich jeweils um einen imaginären Mittelpunkt. Auf ihrer Oberfläche sind Buchstaben aufgemalt. Die vertikale Drehung des Rades und die horizontale Bewegung des liegenden Zylinders verlaufen in einer Synchronität, die innerhalb von zwölf Stunden ein einziges Mal diese Buchstaben zum Wort “Kunst” zusammenfügt und sie dann wieder auseinander zerrt und über das Gesamt-Objekt verteilt.
Mathematisch-physikalisch berechenbare Intervalle bestimmen in beiden Arbeiten das Raum-Zeit-Gefüge. Was vordergründig spielerisch wirkt, unterliegt in Wirklichkeit einem Duktus der Rationalität und der Exaktheit. Der Kargheit des Materials und der ebenso einfachen Installation im Raum hält Drescher eine gehörige Portion (Selbst)-Ironie entgegen: Auf einer Trittleiter thront ein comic strip-hafter Vogelkopf (Titel: “Vision”), als eine Art Karikatur auf ein skulpturales Selbstportrait, dessen Stilistik zwischen dem schwankt, was ernsthafterweise in Bronzegießereien passiert, und was als Trivialisierung dessen in die Kulissen von Vergnügungsparks oder Boulevard-Theatern Eingang findet.
Jürgen Drescher, Jahrgang 1955 und 1985 Absolvent der Düsseldorfer Kunstkakademie, gehört einer Bildhauergeneration an, die sich in den achtziger Jahren mitunter im Sperrmüll und in Bauhandwerker-Märkten ihren Fundus zusammen suchte…