Jürgen Drescher
Sabine B. Vogel: Siehst du eine Entgrenzung der Skulptur, in den Ausmaßen oder in der Begriffs-Verwendung?
JÜRGEN DRESCHER: Die Frage kann weiter gefasst beantwortet werden. Die Kunstmärkte wachsen, so wie die Märkte weltweit, es wird von den Bedürfnissen einer neuen Mittelschicht geredet und so weiter. Aber in Wirklichkeit ist es die Vermehrung unserer Spezies – mehr Menschen benötigen mehr Güter. Daher wird die Vernichtung von unersetzlichen Naturwerten durch unser ungehemmtes Wachstum von den Eliten nicht problematisiert sondern propagiert. Dieses, wie ich es erfahre unkultivierte Verhalten, mit dem wir alles Andere blockieren, verdrängen, verbrauchen und zerstören, wird nicht auf den Punkt gebracht.
Eine wirkliche Entgrenzung geschieht mit uns seit wir aus der ökologischen Nische herausgetreten sind und in unserer genetischen Ausstattung offenbar kaum Möglichkeiten zur Selbstbeschränkung angelegt sind. Es hängt alles von unserer Vorstellung von dem ab, was wir als Kultiviertheit betrachten und wir müssen über uns als Spezies nachdenken lernen.
Spielen diese Überlegungen auch in deine Skulpturen hinein?
Wenn ich einen Abfluss mache, dann ist das ein Bild für das Wegschütten – das ist seltsamerweise unerschöpflich.
Inweiweit sind die skulpturalen Aspekte interessant?
Die Größe, die glatte Haut, die übergangslos in die Fläche der Augen übergeht, die Form des Thunfischs ist natürlich bildhauerisch spannend. Auch das Ablaufgitter, das zugleich ein starkes Bild für Straße ist. Skulpturen befassen sich ja oft mit vorhandenen Formen. Das kann vielleicht daher kommen, dass man mit Vorgefundenem arbeitet und kann dazu führen, in Altem vergangene Lebenswirklichkeiten zu rekonstruieren. Dem versuche ich auszuweichen.
Jürgen Drescher, geboren 1955 in Karlsruhe. Lebt in Berlin.Einzelausstellungen (Auswahl):…