Doris von Drathen
Jürgen Brockmann
Galerie Christian Scheidemann, Hamburg, 27.11.1986-17.1.1987
Erinnerungen, die hochtauchen, Relikte von Erlebnissen von Emotionen – so spricht Jürgen Brockmann über seine Bilder.
Tatsächlich tauchen sie auch malerisch aus der Leinwand hoch. Brockmann setzt Malschichten übereinander, bearbeitet die Oberfläche mit Schwämmen und Tüchern, erreicht den Eindruck von schwimmenden, durchscheinenden wie von Algen durchwachsenen Flächen.
Ein Mond, klein, wie aus größerer als aus Erdenferne gesehen, beleuchtet fahl eine große Gestalt, die mit breiten eckigen Schultern, langgestreckten, geschlossenen Armen die Pyramidenform der Leinwand umkehrt.
Brockmann unterscheidet nicht perspektivisch zwischen nah und fern – er schafft flächige Innenräume; wie im Traum löst er optische Gesetze und optische Grenzen auf.
Dieses Nachtbild mit dem Titel »Mondfinger« ist bezeichnend für Brockmann, der mit Vorliebe aus dem Dunkel heraus arbeitet. Die Figur ist mehr ein Zeichen für eine Figur als tatsächlich eine Gestalt. Sie hat nur Kopf und Arme, mit zwei Fingern wären ihre Umrisse nachzuzeichnen wie in einer Zeichensprache. Brockmann empfindet sie wie eine archetypische, dämonische Gestalt. Er hat sich als Kind solche Figuren vorgestellt, wenn ihm – er ist auf dem Land in der Nähe von Bremen aufgewachsen – die Bauern phantastische Geschichten erzählt haben.
Brockmanns Bilder sind zusammengesetzt aus solchen imaginären Chiffren. Immer wieder malt er die sonderbare »Kopfleiter« – zwei Balken, die eine Serie von Köpfen einrahmen. Er hat das Motiv abgeleitet aus hochgereckten Armen, die den Kopf einschließen. Mit der Vielköpfigkeit hat er ein Signum entwickelt für die künstlerische Sehnsucht, umsteigen zu können – wie Brockmann sich ausdrückt – sich selbst zu entäußern, Ekstase zu…