Matthias Reichelt
Julian Rosefeldt
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 10.2.–10.7.2016
Kritik an Gegenwart und Vergangenheit, Bruch mit beidem und Proklamation radikaler Veränderungen für die Zukunft, so könnte die allgemeine Konstruktion von Manifesten beschrieben werden. Julian Rosefeldt hat sich in einer sehr aufwendigen und 13-Kanal-Videoinstallation mit Künstlermanifesten auseinandergesetzt. In zwölf dieser Filme verkörpert die extrem wandlungsfähige und experimentierfreudige Hollywood-Schauspielerin Cate Blanchett die jeweilige Hauptrolle, in einer Geschichte spielt sie sogar beide zentralen Figuren. Julian Rosefeldt interessierte sich nicht für die theatralischen Situationen, in denen die Manifeste appellativ vorgetragen und zelebriert wurden und versuchte erst gar nicht, sie historisch nachzustellen. Im Gegenteil, er hat sich für die jeweils zehnminütigen Filme eigene Geschichten einfallen lassen, die den meist aus mehreren Manifesten von Rosefeldt kompilierten Text bildhaft unterstreichen, konterkarieren, oder gar ironisieren. Alle Projektionen finden in einem Raum im Seitenflügel des Hamburger Bahnhofs statt und sind dort räumlich nicht durch Trennwände voneinander separiert. Somit wird das Ganze auch als Polyphonie bzw. Kakophonie der sich gegenseitig störenden und miteinander konkurrierenden Monologe erlebt. Auch wenn die Konzentration auf die einzelnen Geschichten darunter leiden mag, ist diese sich überlagernde Sprache und Deklamation der Manifeste eine durchaus bewusste Entscheidung Rosefeldts, die unserem multimedialen Alltag entspricht. Heilsversprechungen, Analysen und Rezepte für die Lösung gesellschaftlicher Probleme werden dem Publikum rund um die Uhr auf allen massenmedialen Kanälen um die Ohren gehauen.
Auch wenn Rosefeldt sich selbst zu den Texten der künstlerischen Avantgarde in einem Interview mit Sympathie äußerte, so weiß er dennoch, dass sich jedes Manifest gegen andere behaupten muss. Nichtsdestotrotz…